Gastkommentar

Erst Euphorie, jetzt Katzenjammer im Kreml

Nachdem sich Donald Trump im Weißen Haus heimisch gemacht hat, gibt es noch immer keine Anzeichen für einen „Neustart“ in den russisch-amerikanischen Beziehungen. Acht Gründe, warum das so ist.

Die nach dem Wahlsieg Donald Trumps in Moskau aufgeflammte Euphorie ist verflogen. Der Gedanke, dass der neue Mann im Weißen Haus einen „Neustart“ in den russisch-amerikanischen Beziehungen in die Wege leiten würde, hat sich als Illusion herausgestellt.

Am 9. November 2016 betrat Wjatscheslaw Nikonow, Enkel von Sowjetaußenminister Wjatscheslaw Molotow und Mitglied des Außenpolitischen Komitees der Duma, den Sitzungssaal und erklärte: „Vor drei Minuten hat Hillary Clinton ihre Niederlage eingeräumt, und erst vor einigen Sekunden hat Trump seine Rede als gewählter Präsident gehalten. Ich gratuliere Ihnen allen dazu.“

Der letzte Satz war praktisch nicht mehr zu hören, denn er ging im Jubel der Abgeordneten unter. Die Moskauer Machtelite triumphierte. Nicht zuletzt mithilfe russischer Cyberangriffe und der Verbreitung von Fehlinformationen hatte sich ihr Wunschkandidat durchgesetzt.

Schockerlebnis in der UNO

Ernüchterung in Moskau setzte aber schon kurz nach Trumps Amtsantritt ein. Einen Schock erlitt der Kreml am 2. Februar. Die neu ernannte US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen warf Russland angesichts eskalierender Kämpfe in der Ostukraine „aggressives Verhalten“ vor. Auch wenn die neue Regierung in Washington eigentlich eine Verbesserung der Beziehungen zu Moskau anstrebe, verdiene das russische Verhalten eine „klare und starke Verurteilung“.

Die USA würden „weiterhin die russische Okkupation der Krim verurteilen“. Die auf die Krim bezogenen Sanktionen würden „so lange gelten, bis Russland die Kontrolle über die Halbinsel an die Ukraine zurückgegeben hat“.

Diese Aussagen waren mehr als eine, wie der russische UNO-Botschafter beklagte, „Änderung der Tonart“. Denn Obama und europäische Regierungen einschließlich Deutschlands und Frankreichs im „Normandie-Format“ hatten sich auf den Konflikt in der Ostukraine konzentriert und die Krim kaum noch erwähnt.

Dass es sich nicht um einen Versprecher der UN-Botschafterin handelte, sondern um eine ausgearbeitete Position der Regierung, machte wenige Tage später der Sprecher des Weißen Hauses deutlich. Der Präsident erwarte von der russischen Regierung, „dass sie die Gewalt in der Ukraine deeskaliert und die Krim zurückgibt“.

Ein weiterer Grund für die Ernüchterung lag in dem am 13. Februar erzwungenen Rücktritt des damaligen Trump-Sicherheitsberaters, Michael Flynn. Er hatte den US-Vizepräsidenten belogen, als er beteuerte, dass er vor dem Amtsantritt Trumps mit dem russischen Botschafter in Washington, Sergej Kisljak, zwar Gespräche geführt, aber nicht über Sanktionen geredet hätte. Für Moskau war dieser Rücktritt ein weiteres Beweisstück dafür, dass jeglichem Ansatz zu einer Verbesserung der Beziehungen mit allergrößtem Misstrauen in Washington begegnet würde.

Gedämpfte Erwartungen

Moskau wurde klar, dass es an der Zeit war, allen noch verbliebenen euphorischen Anwandlungen in Russland entgegenzuwirken. Mitte Februar wies der Kreml die staatlichen Fernsehkanäle an, mit der „einschmeichelnden“ Berichterstattung über Trump aufzuhören und dazu beizutragen, „Erwartungen der Öffentlichkeit“ hinsichtlich einer Verbesserung der russisch-amerikanischen Beziehungen „zu mäßigen“. In der Tat waren derartige Erwartungen wirklichkeitsfern. Eine grundlegende Neuordnung der Beziehungen ist nicht in Sicht. Dafür sind folgende Gründe maßgeblich.

► 1. Der wichtigste Grund liegt darin, dass Moskau eisern den Standpunkt vertritt, alles richtig gemacht zu haben und es an Washington liege, seine Politik und sein Verhalten zu ändern.

► 2. Was Trump über die Beziehungen zu Russland im Wahlkampf und bis nach seiner Inauguration gesagt hat, sind letzten Endes nichtssagende Floskeln wie, dass „es wunderbar wäre, wenn wir gute Beziehungen zu Russland hätten“, und dass „nur blöde Leute oder Dummköpfe denken könnten, dass das schlecht wäre“. Ein Konzept dafür, wie eine Neuordnung aussehen und erreicht werden könnte, haben er und seine Berater aber nie vorgelegt.

► 3. Die Idee, dass der „pragmatische“ Geschäftsmann Trump die von der Obama-Regierung verfügten Sanktionen aus rein wirtschaftlichen Interessen ohne substanzielle russische Gegenleistungen aufheben würde, war von vornherein abwegig. Für die USA spielt die russische Wirtschaft praktisch keine Rolle. Der Wert der US-Exporte nach Russland im Jahr 2016 betrug lediglich 5,8 Milliarden Dollar (im Vergleich dazu: Exporte nach Kanada 266,8 Milliarden und nach Mexiko 231 Milliarden Dollar).

► 4. In der Praxis beinhalten Trumps Slogans des „America First“ und „To make America great again“ eine Absage an jeglichen Gedanken von Mächtegleichgewicht. Er und sein Verteidigungsminister haben klargestellt, dass verbesserte Beziehungen zu Russland zwar möglich seien, aber nur „aus einer Position der Stärke“.

► 5. Zu den von Russland geforderten Leistungen gehört die „Zusammenarbeit im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus“. Der Verwirklichung der Wunschvorstellung steht aber die Forderung Moskaus entgegen, dass Washington endlich die „absurde“ Trennung von „guten“ und „schlechten“ Terroristen in Syrien aufgeben und aktiv mit Assad kooperieren müsse, anstatt seine Herrschaft zu untergraben sucht.

► 6. Für Donald Trump und seiner Berater ist der Iran der „Hauptsponsor des internationalen Terrorismus“ und die von Teheran unterstützte, in Syrien für das Assad-Regime kämpfende Hisbollah-Miliz eine „terroristische Organisation“. Russland dagegen hofiert Iran als „strategischen Partner“.

Keine Impulse für Neustart

► 7. Ein anderer Gegner für Trump ist die Volksrepublik China. Zu einem Deal mit Russland könnte eine Abwendung Moskaus von Peking gehören. Diese Wunschvorstellung ist ebenfalls unrealistisch, denn Moskau bezeichnet auch die Beziehungen zu Peking als „strategische Partnerschaft“. Der Kreml wird sich hüten, in eine Konfrontation mit China beispielsweise im Südchinesischen Meer hineingezogen zu werden.

► 8. Auch aus der amerikanischen Innenpolitik sind keine starken Impulse für die Neuordnung des Verhältnisses zu erwarten. Wer Trump gewählt hat, hat dies aus vielen Gründen getan, sicher auch aus Wut, Hass und Abneigung gegen das „Establishment“ in Washington, aber wohl kaum doch, weil den Wählern ein besseres Verhältnis zu Putin und Russland am Herzen liegt.

Aus all diesen Gründen gibt es auch mehr als einen Monat nach Trumps Amtsantritt keine Anzeichen für einen „Neustart“ in den russisch-amerikanischen Beziehungen. Man kann auch gar nicht von einem Fehlstart sprechen, denn niemand hat auf einen Startknopf gedrückt. Weder ein umfassender Deal noch einvernehmliche Regelungen in Teilbereichen sind in Sicht.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

DER AUTOR

Professor Hannes Adomeit (geb. 1942 in Memel), langjähriger Mitarbeiter und Leiter des Russland-Referats an der renommierten Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Bis 2013 Professor für Osteuropastudien am College of Europe in Warschau. Derzeit Non-Resident Fellow am Institut für Sicherheitspolitik der Universität Kiel (ISPK).

(Print-Ausgabe, 09.03.2017)

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