Gastkommentar

Mit Fake News zu einem „anderen Österreich“

Mit untergriffigen Diffamierungen blasen Rechte aus dem Umfeld der Burschenschaften zum Angriff auf ihre Gegner.

Die wissenschaftlich fundierten Dokumentationen und Analysen des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW) sind seit Jahrzehnten ein Stachel im Fleisch österreichischer Rechtsextremer und Rassisten. Versuche, die Seriosität des DÖW zu untergraben, gehören daher seit Langem zum Standardrepertoire rechter Polemik. Eines der beliebtesten Argumente, die für die angebliche Parteilichkeit des DÖW ins Feld geführt werden, ist die Behauptung, ein österreichisches Gericht hätte „letztinstanzlich“ bestätigt, dass das DÖW nicht wissenschaftlich seriös agiere, sondern vielmehr eine „linksextreme Subversion der Kulturbereiche unserer Gesellschaft betreibe“ und so „ein Klima des Gesinnungs- und Meinungsterrors“ schaffe.

In seinem Gastkommentar „Burschenschafter für Freiheit und Vaterland“ vom 20. 11. 2017 hat Konrad M. Weiß diese hanebüchenen Argumente wieder einmal aufgewärmt und den Eindruck erweckt, als hätte ein österreichisches Gericht diese Aussagen über das DÖW in einem Urteil getroffen. Natürlich gibt es kein solches Gerichtsurteil. Nichtsdestotrotz wird seit Jahrzehnten aus dem Umfeld rechter Burschenschafter immer wieder diese Unterstellung verbreitet.

Der eigentliche Sachverhalt

Der eigentliche Sachverhalt stellt sich bei näherem Hinsehen ganz anders dar. Die zitierten Textstellen finden sich in einem Erkenntnis des 18. Berufungssenats des Oberlandesgerichtes Wien vom 4. Mai 1998, in welchem der Autor eines Artikels in der Burschenschafter-Zeitschrift „Die Aula“ nach Paragraf 111 StGB wegen „übler Nachrede“ des DÖW rechtskräftig zu 60.000 Schilling Geldstrafe (bedingt) verurteilt wurde. Das DÖW und sein damaliger wissenschaftlicher Leiter, Hon.-Prof. Dr. Wolfgang Neugebauer, waren in diesem Verfahren also nicht die beklagte Partei, sondern vielmehr der Kläger.

Das DÖW hatte, neben anderen Textstellen, auch die obigen Behauptungen eingeklagt, doch wurden sie im Erkenntnis des Oberlandesgerichts Wien im Gegensatz zu den anderen Aussagen noch als zulässige Werturteile im Rahmen der Meinungsfreiheit eingestuft und straffrei gestellt.

Dieses von der österreichischen Rechtsprechung im Interesse einer größtmöglichen Meinungsfreiheit getroffene Urteil wird seither immer wieder mit dem Ziel der Schädigung des DÖW aus dem Zusammenhang gerissen und sinnentstellend zitiert.

Besonders Autoren aus dem Kreis der Burschenschaften versuchen mit dieser Manipulation vorzutäuschen, dass das DÖW verurteilt wurde und nicht der Autor von „Die Aula“. Wahr ist also das Gegenteil dessen, was von Konrad M. Weiß in seinem Kommentar unterstellt wird.

Ein Naheverhältnis zu Burschenschaften wird Konrad M. Weiß schwerlich abstreiten können, war er doch selbst einmal – zumindest in der Vergangenheit – Mitglied der Wiener Burschenschaft Libertas. Diese seine alte Burschenschaft bekennt sich bis heute stolz zu ihm: Auf ihrer „Weltnetzseite“ (Homepage) präsentiert sie frühere Texte ihres Mitglieds. Außerdem war Weiß Bundesobmann, Spitzenkandidat und ÖH-Mandatar des Rings Freiheitlicher Studenten.

Abstruse Behauptungen

Vor diesem Hintergrund werden nicht nur seine Aussagen gegen das DÖW verständlicher, sondern auch manch andere seiner im Kommentar vom 20. 11. 2017 aufgestellten abstrusen Behauptungen. So verharmlost Weiß den burschenschaftlichen Deutschnationalismus zum bloßen „Empfinden einer Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturraum“ bzw. zum „Hochhalten einer deutschen Identität“.

Was Weiß dabei unterschlägt, ist, dass es nicht das Bekenntnis zu deutscher Sprache und Kultur ist, was Burschenschaften – unter anderem – immer wieder zum Gegenstand der Rechtsextremismusforschung macht, sondern das Bekenntnis zum nationalsozialistischen Dogma der deutschen Volksgemeinschaft, verstanden als Bluts- und Abstammungsgemeinschaft.

Der Unterschied wird spätestens dem ersichtlich, der einer österreichischen Burschenschaft beitreten will: Wer nicht „von deutschem Stamme“ ist, dem bleibt die Budentür verschlossen. Gerade die Frage der Abstammung als notwendiges Aufnahmekriterium wurde im Dachverband Deutsche Burschenschaft (DB) – dem fast alle akademischen Burschenschaften Österreichs angehören – erst vor wenigen Jahren erschöpfend diskutiert.

Die rechtsextreme DB-Fraktion Burschenschaftliche Gemeinschaft – und mit ihr die meisten österreichischen Burschenschaften – argumentierte dabei 2011 etwa, dass „eine nichteuropäische Gesichts- und Körpermorphologie auf die Zugehörigkeit zu einer außereuropäischen populationsgenetischen Gruppierung und damit auf eine nicht-deutsche Abstammung“ hinweise, was eine Aufnahme in eine Burschenschaft ausschließe. Und 2012 erneuerte die Gemeinschaft einmal mehr ihr Bekenntnis zum deutschen Volk als „biologische und kulturelle Einheit“.

Dass solche Aussagen nicht nur von einzelnen Verwirrten abgesondert werden, sondern von zentralen burschenschaftlichen Kollektivorganen, versucht Weiß mit Hinweis auf einen angeblich bedeutungslosen „Narrensaum“ der Burschenschaften in Abrede zu stellen. Aber nicht Einzelne, sondern das Burschenschafter-Zentralorgan „Die Aula“ wettert Nummer für Nummer gegen „die jüdisch gesteuerten Großbanken“, gegen „Rassenmischung“, die „eurasisch-negroide Umvolkung deutschen Landes“, das „Holocaust-Dogma“ und die „negative, parasitäre“ Kraft des „Judentums“.

Forderung nach Anschluss

Nicht Einzelne, sondern die Burschenschaft Teutonia zeichnete für jenes 2010 an der Universität Wien verteilte Flugblatt verantwortlich, auf dem gefordert wurde, halb Europa wieder an Deutschland anzuschließen. Nicht Einzelne, sondern die Burschenschaft Olympia fungierte 2016 als Gastgeberin einer Veranstaltung, zu der sie einen Vertreter der neofaschistischen ungarischen Partei Jobbik und einen ungarischen Neonazi eingeladen hatte. Und nicht Einzelne, sondern die Burschenschaft Libertas war es, die 2009 einen Preis an eine neonazistische Jugendorganisation verlieh.

Dies vor allem ist jenes „andere Österreich“, dem Konrad M. Weiß mit seinen Fake News zum Durchbruch verhelfen will. Doch Unwahrheiten werden auch durch manipulative Wiederholung nicht glaubhafter.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

DER AUTOR

Gerhard Baumgartner (Jg. 1957) ist Historiker, ehemaliger Projektleiter der Österreichischen Historikerkommission und seit 2014 wissenschaftlicher Leiter des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (DÖW). Die Arbeit des DÖW besteht vornehmlich in der wissenschaftlich abgesicherten Erforschung der Geschichte des Nationalsozialismus und seiner Auswirkungen in Österreich. Arbeit und Gremien des DÖW sind grundsätzlich überparteilich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.11.2017)

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