Replik

. . . muss Österreich seine EU-Partner eben überzeugen

Wien weiß, dass sich Indexierung nicht im nationalen Alleingang beschließen lässt.

Zur Emotionalisierung taugt er gut – der Ruf nach Indexierung der Familienbeihilfe für Kinder, die in anderen EU-Staaten leben als ihre in Österreich arbeitenden und Steuern zahlenden Eltern. Politiker beschwören die Kürzung der Unterstützung für den daheimgebliebenen Nachwuchs rumänischer Altenpflegerinnen als Gebot der Fairness. Publizisten wie Stefan Brocza wiederum entwickeln sogar Schutzinstinkte für diese, wie er in seinem Gastkommentar in der „Presse“ vom 16. 4. beklagt, „verteufelte Indexierung“, da sie nicht alle in der EU für der Weisheit letzten Schluss halten. Eine gute Gelegenheit, die Fakten in Erinnerung zu rufen.

Verteufelt wird die Indexierung nämlich gar nicht. Im Februar 2016 hatten 27 EU-Staaten sogar versprochen, die EU-Verordnung zu ändern, die eine solche Indexierung verbietet. Allerdings nur unter der Bedingung, dass die Briten bei ihrem Referendum für einen Verbleib in der EU stimmen würden. Dem liegen drei Erwägungen zugrunde, die in der österreichischen Debatte nicht immer zur Kenntnis genommen werden.

Erstens: Das geltende EU-Recht verbietet eine Indexierung der Familienbeihilfe. Wäre es anders, hätten die EU-27 den Briten nicht die Änderung der entsprechenden Verordnung 883/2004 ausdrücklich als Zugeständnis anbieten müssen.

Österreich hat mitgewirkt

Zweitens: Alle maßgeblichen Entscheidungsträger in Österreich wissen, dass das geltende EU-Recht eine Indexierung der Familienbeihilfe verbietet. Österreich hat nämlich im Februar 2016 sowohl beim entscheidenden Europäischen Rat (Mitglied Bundeskanzler) als auch beim vorbereitenden Rat für Allgemeine Angelegenheiten (damals noch Mitglied Außenminister) an diesem Zugeständnis an die Briten mitgewirkt.

Drittens: Die EU-27 haben dieses Zugeständnis für ein derart großes gehalten, dass sie es nur machen wollten, um den Austritt des wirtschaftlich zweitgrößten Mitgliedstaats in letzter Minute zu verhindern.

Verlust von Goodwill droht

Nun steht es natürlich auch Politikern und Kommentatoren aus Österreich frei, das Gleiche zu verlangen, was seinerzeit den Briten in einer hochdramatischen Situation zugestanden wurde. Die EU-Gegner hat es zwar am Ende nicht kalmiert, aber es mag durchaus Argumente geben, warum Kinder von Menschen, die in Österreich hart arbeiten, weniger Unterstützung bekommen sollten, nur weil sie nicht selbst in Österreich wohnen.

An dieser Stelle soll aber gar nicht diskutiert werden, ob hier ein Prinzip des EU-Binnenmarktes untergraben würde; ob es fair wäre, von ausländischen Eltern die gleichen Steuern einzuziehen wie von Österreichern, ihren Kindern aber weniger auszuzahlen; ob sich der bürokratische Aufwand angesichts der überschaubaren Summen lohnte; ob eine solche Lösung eventuell den Zuzug Tausender Kinder auslösen könnte; oder ob der innenpolitische Effekt in irgendeinem Verhältnis stünde zum möglichen Verlust von politischem Goodwill in den EU-Staaten, in denen Österreichs Banken, Bauunternehmen und Exporteure ausgezeichnete Geschäfte machen.

An dieser Stelle soll es nur um eines gehen: Österreichs Entscheidungsträger wissen, dass sich die Indexierung nicht im nationalen Alleingang beschließen lässt. Wenn Österreich die Indexierung will, muss es daher genügend andere in der EU von seinem Anliegen überzeugen, um das geltende europäische Recht zu ändern. Ob bei einem solchen Unterfangen die Rolle als Brückenbauer zwischen Ost und West hilfreich sein kann, müsste sich weisen.

Jörg Wojahn (*1971 in München) ist seit September 2015 Vertreter der Europäischen Kommission in Österreich.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.04.2018)

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