Bedrohte Medienfreiheit

Gastkommentar. Am heutigen Welttag der Pressefreiheit zeichnet sich ein düsteres Bild ab. Sogar in der EU werden Reporter ermordet.

Seit dem letzten „World Press Freedom Day“ vor einem Jahr ist die Pressefreiheit innerhalb der EU drastisch eingeschränkt, vor allem durch zwei Mordanschläge: Auf Malta und in der Slowakei wurden zwei investigativ tätige Journalisten ermordet: In Malta kam Daphne Caruana Galizia durch eine Autobombe ums Leben, in der Slowakei wurden Ján Kuciak und seine Lebensgefährtin von einem Killerkommando hingerichtet.

In beiden Fällen hatten die Reporter Verstrickungen zwischen Politik und organisierter Kriminalität aufgedeckt. In der Slowakei weckte der feige Mord die Bevölkerung aus ihrer politischen Apathie und führte zu Rücktritten von Regierungschef, Innenminister und Polizeipräsident. Der Betrug mit EU-Fördergeldern muss aber weiter untersucht werden.

Die Türkei bleibt weiterhin das schlimmste Mediengefängnis Europas: Zwar wurden vor Kurzem einige der über 150 Journalisten aus der U-Haft freigelassen, vielen anderen aber drohen mehrjährige Gefängnisstrafen. Drei Kollegen, darunter der renommierte Publizist Ahmet Altan, wurden in erster Instanz sogar zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt.

In mehreren EU-Staaten standen Angriffe auf die Medienfreiheit auf der Tagesordnung: In Ungarn wurden die regierungskritische Tageszeitung „Magyar Nemzet“ und eine Radiostation eingestellt. In Polen stellt ein umstrittenes Gesetz weltweit die Berichterstattung über die Mitwirkung von Polen am Holocaust unter Strafe. In Bulgarien und Rumänien wurden investigative Reporter von Politikern und der Mafia bedroht.

Geheimpolizisten in TV-Studios

In Kroatien hält die Regierung den öffentlich-rechtlichen Rundfunk HRT weiter an der Kandare. So flog auf Betreiben des einflussreichen Kriegsveteranenverbands sogar eine beliebte Comedy-Show kurzfristig aus dem Programm. Mitarbeiter von Geheimpolizei und Arbeitsinspektorat drangen im vergangenen Herbst in Zagreb zur Hauptsendezeit ins Studio des privaten TV-Senders N1 ein, um forsch nach Verantwortlichen kritischer Sendungen zu fahnden.

Die Medienfreiheit ist auch in Westeuropa bedroht. In der britischen Brexit-Kampagne werden laufend neue Details über Lügen und Manipulationen in Medien bekannt.In Spanien gab es Proteste gegen die Berichterstattung des spanischen Staatsfernsehens über die Vorgänge in Katalonien. Die EU hat gerade ein Maßnahmenpaket gegen wachsende Desinformation und Falschmeldungen auf Facebook und Twitter präsentiert.

In der Medienpolitik ist Österreich längst keine Insel der Seligen mehr. Die Debatte um eine Neuausrichtung der staatlichen Medienförderung läuft noch immer. Fix scheint, dass Gratiszeitungen mehr Steuergeld erhalten sollen.

Die FPÖ hat als Regierungspartei ihren Kampf gegen den ORF und dessen Gebührenfinanzierung verstärkt. FPÖ-Stiftungsrat Norbert Steger drohte sogar mit der Schließung von Korrespondentenbüros, sofern sie „einseitig“ berichten. Offenbar will er über Verstöße selber urteilen. Trotzdem könnte er noch in diesem Monat Vorsitzender des Stiftungsrates werden, womit die unabhängige Berichterstattung im ORF ernsthaft bedroht wäre.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2018)

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