Gastkommentar

Der Schutz der Menschenrechte bleibt unvollendet

25 Jahre nach Wiener Weltkonferenz: Menschenrechte unter Beschuss.

Die Menschenrechte und Grundfreiheiten sind das Geburtsrecht aller Menschen; ihre Wahrung und Förderung ist die vorrangigste Pflicht aller Regierungen.“ Am 25. Juni 1993 verabschiedete die Wiener Weltkonferenz für Menschenrechte der Vereinten Nationen (VN) nach zweijährigen Vorbereitungen und 14 Tagen hitziger Verhandlungen ihr Schlussdokument: die Wiener Erklärung und das Aktionsprogramm, das den internationalen Menschenrechtsschutz auf neue Grundlagen stellt.

Mit der Entscheidung, das Amt eines Hochkommissars der VN für Menschenrechte vorzuschlagen, wurde die Operationalisierung des Menschenrechtsschutzes vor Ort systematischer. Die Menschenrechte bekamen ein Gesicht und eine Stimme, die Opfer eine zentrale Anlaufstelle. Innerhalb des VN-Systems rückten Menschenrechte gleichberechtigt an die Seite von Entwicklung sowie Frieden und Sicherheit.

Die Grundlagen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, angenommen 1948 vor dem Hintergrund der Schrecken des Zweiten Weltkriegs und der Shoah, wurden konkretisiert. Die Befassung mit der Situation in einem anderen Land konnte nicht mehr als Einmischung zurückgewiesen werden. Die Rechte der Frau wurden als Menschenrechte bekräftigt.

Verbesserter Rahmen

Minderheiten und indigene Völker bekamen einen besseren internationalen Rahmen. Und, vielleicht am wichtigsten: Angriffe auf die Universalität, die jedem Menschen die gleiche Würde und die gleichen unverbrüchlichen Rechte zuerkennt, wurden abgewehrt.

Der Gastgeber und Vorsitzende der Konferenz, Außenminister Alois Mock, hatte alle Friedensnobelpreisträger eingeladen. Dieses Signal des Zusammenhangs zwischen Menschenrechten und Sicherheit war umso aktueller, als ein grausamer Krieg am Balkan tobte, der nationalistische Exzesse wie „ethnische Säuberungen“ hervorbrachte, und eine massive Flüchtlingswelle zur Folge hatte. Gewaltsamer Konflikt als Resultat schwerer Menschenrechtsverletzungen ist bis heute in allen Teilen der Welt traurige Tatsache.

Ungesühnte Verbrechen

Dennoch wird die Wiener Mammutkonferenz mit ihren rund 7000 Teilnehmern, mehrheitlich Vertreter der Zivilgesellschaft, als großer Erfolg betrachtet, Österreichs Rolle als Gastgeber immer noch gewürdigt. Eine globale Bewegung war entstanden. Unter den Teilnehmern befanden sich Menschenrechtsorganisationen, die erstmals an einer internationalen Konferenz teilnehmen konnten.

Trotz aller Erfolge, zu denen auch der erweitere VN-Menschenrechtsrat in Genf und die internationale Strafgerichtsbarkeit zählen: Heute sind die Menschenrechte in Gefahr wie schon lange nicht. Aktivisten, Menschenrechtsverteidiger, Journalisten stehen unter Beschuss, oft buchstäblich. Die an ihnen verübten Verbrechen, oft unter Billigung von Behörden, bleiben ungesühnt. Autokratische Regime, Populismus und Gleichgültigkeit der Politik wie auch gegenüber der Politik, Digitalisierung, Urbanisierung, Klimawandel, Vertreibungen und Migration – die Liste der Herausforderungen mit Auswirkungen auf den Menschenrechtsschutz wächst.

So gilt es, nicht nur die Realisierung persönlicher Freiheiten sicherzustellen, wie Meinungs-, Vereinigungs-, Versammlungs- und Religionsfreiheit, sondern auch die neuen Themen in den Griff zu bekommen. Jedes Aktionsprogramm ist nur so gut, als es die Aktionen sind, die es generiert. Da bleibt viel zu tun. Auch für Österreich.

Christian Strohal (*1951 in Wien) war Sonderbotschafter bei der Wiener Weltkonferenz über Menschenrechte 1992/93 sowie Vertreter Österreichs bei den Vereinten Nationen in Genf und bei der OSZE in Wien.


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("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2018)

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