Fußball kann viel, aber nicht alles. Das ist gut so!

Pressestimmen. In den Bewertungen internationaler Blätter bekommt Russland als Gastgeberland der WM durchwegs positive Benotungen.

OÖ Nachrichten
Die Pfiffe sind verstummt

Linz. „Bei der Vergabe der Fußball WM an Russland gab es auf der weltpolitischen Tribüne Pfiffe. Erstens, weil der dringende Verdacht bestand, dass die Funktionäre des Weltfußballverbandes Fifa vor der geheimen Abstimmung unheimlich fette Schmiermittel erhalten haben. Und zweitens, weil man glaubte, dass Russlands „Zar“ Wladimir Putin die WM im eigenen Land nützen könnte, seine Machtposition weiter auszubauen. Letztere Befürchtung ist nicht eingetreten. Die WM hat Putin weder geholfen noch geschadet. Fußball kann viel, aber nicht alles. Gut so.“

NOWAJA GAZETA
Das Fest hat ein Ende

Moskau. „Der Staatsmacht war es wichtig, während der WM die Illusion einer offenen, freien und wohlmeinenden Gesellschaft zu zeichnen, die mit offenen Armen Gäste empfängt. Man muss ihr zugestehen, dass ihr das hervorragend gelungen ist. Doch es wurde auch demonstriert, dass unsere Herzlichkeit exakte Grenzen hat. Man darf trinken und feiern, so viel man will. Aber sobald man sich auch nur eine politische Geste oder Aussage erlaubt, bekommt man sofort auf die Hände oder gar die Zähne eingeschlagen. Die Menschen im Land sind keine Idioten, sie wissen nur zu gut: Das Fest hat ein Ende und die Mexikaner reisen ab. Und wir haben es wieder mit Behörden zu tun, die nur ein Problem kennen: Wie lässt sich das Maximum aus der Bevölkerung herausmelken und dabei deren Gehorsam und Demut bewahren?“

SÜDDEUTSCHE Zeitung
Endgültig unerträglich?

München. „Heute sind die beiden größten Sportereignisse fest im Griff der Opportunisten, Olympia in dem des deutschen Anwalts Thomas Bach, die Fußball WM in dem des Schweizer Berufsfunktionärs Infantino. Bach hat am Ende der Winterspiele 2014 in Sotschi die Sitte eingeführt, nicht nur dem Land und seinen Menschen, sondern auch dem Präsidenten persönlich zu danken – am Tag nach der Schlussfeier schickte Putin dann seine Soldaten auf die Krim. Für Infantino war das keine Mahnung. Auch er dankte Putin persönlich für „die beste Weltmeisterschaft, die es je gab (...) Mit dieser Geisteshaltung zieht der Fußball nun in die nächste WM: nach Katar. Man darf gespannt sein, ob er dort einfach so weitermacht. Mehr Zynismus geht ja kaum, als sich von zusammengepferchten Arbeitern aus Bangladesch oder Nepal eine WM Infrastruktur bauen zu lassen – und ihnen dabei, wie Menschenrechtsorganisationen beklagen, bisweilen noch nicht einmal genügend Wasser hinzustellen zum Überleben. Wird die WM 2022 in Katar endgültig unerträglich? Ganz bestimmt.“

L'OBS
Gewonnen hat Putin

Paris. „Es ist das Spiegelbild einer neuen Welt, in der diejenigen, die die internationale Ordnung stören, überleben und sogar aufblühen können. Man muss sagen, dass Wladimir Putin auch davon profitiert, dass sich das auflöst, was man einst den ,Westen‘ genannt hat. Er hat selbst dazu beigetragen, indem er seine Position durch die Einmischung in Wahlprozesse gestärkt hat (...) Neben Donald Trump, dessen unangebrachtes Verhalten die ,Alliierten‘ vergangene Woche erleben konnten, kann Wladimir Putin sich als ein Vorbild hinsichtlich Stabilität und Vorhersehbarkeit präsentieren. Er hat gar keinen Sieg des russischen Teams gebraucht: Er hat schon gewonnen.“

Corriere del Ticino
WM in einer Blase

Muzzano. „Mit dem Sieg Frankreichs und dem Fest im Luschniki-Stadion ging eine Weltmeisterschaft zu Ende, die, wie Gianni Infantino tönte, ,schöner denn je‘ war. Die Narration des Fifa-Präsidenten ist zweifelsohne übertrieben und das Ergebnis seiner sehr engen Verbindung zu Russland und insbesondere zu Wladimir Putin. Politik und Probleme hatten in der Blase, die sich um die WM und alle ihre Protagonisten stülpte, keinen Platz. Mit keinem Wort wurden Putins Gegner und die vielen inhaftierten Journalisten erwähnt, noch die mit Füßen getretenen Menschenrechte und die ukrainische Frage. Der russische Präsident hat sein Spiel gewonnen. Mit einer perfekt gelungenen WM und getragen von einem allgemeinen Konsens konnte er danach Donald Trump empfangen.“

DIE WELT
Ungelöste Probleme

Berlin. „Wladimir Putin frohlockte, man habe der Welt endlich gezeigt, dass sie ein falsches Bild von Russland habe. Die ,Mythen und Vorurteile‘ der WM-Gäste seien ,zerbrochen‘. (...) Innenpolitisch war die WM für Putin ein Coup. Außenpolitisch ist sein Satz von den ,zerbrochenen Mythen‘ deshalb interessant, weil darin eine Projektion steckt. Der Präsident kann kaum wissen, mit welchen Vorurteilen die Besucher angereist und mit welchen Eindrücken sie wieder abgereist sind. Es kann sich also nur um seine eigenen Vorurteile handeln, die er gegenüber dem Rest der Welt pflegt (...) Die Probleme, die Russland hat, und die Probleme, die die Welt mit Russland hat, sind auch weiterhin ungelöst. Das hat nicht mit den Mythen der anderen und nichts mit dem russischen Volk zu tun. Sehr wohl aber mit der Wahrnehmung des Mannes im Kreml.“

De VOLKSKRANT
Rückkehr der Geopolitik

Amsterdam. „Die Befürchtung des Westens bewahrheitete sich nicht, auch weil Putin sich kaum sehen ließ – anders als der argentinische Militärdiktator Videla 1978. Daher wurde die WM auch eher zur Propaganda für die russische Bevölkerung: Die normalen Russen, die nach den unerwarteten Siegen ihrer Nationalmannschaft mit ansteckender Siegerlaune feierten und sich verbrüderten mit Fans aus dem Rest der Welt (...) Jetzt, nach der WM, wird die Geopolitik zurückkehren und werden sich Russland und der Westen wieder gegenüberstehen. Nationale oder internationale Bruchlinien verschwinden nicht durch ein paar Fußballspiele.“

EL MUNDO
Russische Standards

Madrid. „Die WM-Logistik funktionierte einwandfrei. Erstens, weil es keine nennenswerten Probleme gab, vor allem in Bezug auf die Sicherheit: Es ist zu keinen Aggressionen oder Auseinandersetzungen zwischen gegnerischen Fans gekommen. Zweitens wegen des sinnvollen Einsatzes neuer Techniken, die sich, wie der Videobeweis, bewährt haben, um den Fußball zu modernisieren. Und drittens waren die Stadien, in die die russische Regierung 3,4 Milliarden Euro investierte, hoch funktional (...) Katar wird die erste WM austragen, die im Winter und mit kurzen Distanzen stattfindet. Die Fifa steht nun in der Pflicht, ein Turnier zu garantieren, das in Bezug auf Organisation, Sicherheit und Zuschauerzahl an die russischen Standards anknüpfen kann.“

KLEINE ZEITUNG
Charme und Flair

Graz. „Natürlich war ,Russia 2018‘ perfekt organisiert. Dank der totalen Digitalisierung und des hierarchischen Machtapparats lief alles wie geschmiert. Das Turnier hatte Charme und Flair. Durch die freundlichen Menschen und die Begeisterung der Fans aus aller Welt. Diese WM hat sicherlich das Image Russlands, vor allem Moskaus als faszinierende, pulsierende, blitzsaubere Metropole (...) aufgewertet. Sportlich aber hatte die Vergangenheit gewiss attraktivere Turniere zu bieten.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.07.2018)

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