Kunasek wacht auf, lässt das Heer aber im Unklaren

Der Verteidigungsminister sendet widersprüchliche Signale aus. Hubschrauber kommen, aber ein längerer Wehrdienst nicht.

Verteidigungsminister Kunasek (FPÖ) hat lang geschwiegen, zu lang. Jetzt wacht er auf, sendet aber widersprüchliche Signale aus. Einerseits ist er stolz, dass sich die Koalition auf den Ankauf neuer Hubschrauber geeinigt hat; dieser wird aber aus den Geldern des Katastrophenschutzes finanziert. Auf der Konferenz der EU-Verteidigungsminister in Wien hat er sich für das österreichische Modell eines unterstützenden Grenzschutzes mit Soldaten starkgemacht, angesichts des latenten Drucks von Flüchtlingen an den EU-Außengrenzen. Das entspricht voll der Linie der Koalition, vor allem jener der FPÖ.

Nicht so optimistisch sieht der Oberbefehlshaber die Lage. Im Juli ließ Alexander Van der Bellen mit dem Satz aufhorchen: „Die Kapazitäten des Heers sind erschöpft.“ Um das zu beseitigen, fehlt es aber an Geld für Gerät und Mannesausrüstung, speziell für die Miliz.

Sein neuer Generalstabschef, Robert Brieger, hat sich hingegen bei seinen ersten Interviews klar für die Stärkung des Elements der Landesverteidigung ausgesprochen, auch gegen moderne Bedrohungen wie den Cyberwar.

Nun hat die Regierung das Schwergewicht auf den Katastrophenschutz gelegt. Das kommt bei der Bevölkerung besser an. Für Hubschrauber gibt Finanzminister Löger (ÖVP) wahrscheinlich 300 bis 400 Mio Euro frei. Auch 30 Mio. Euro für den Ankauf von Transportfahrzeugen. Das Heer bräuchte aber weit mehr, der Investitionsbedarf wird intern bis 2020 auf mehr als eine Mrd. Euro geschätzt.

Kunasek kann aufatmen, die Hubschrauber kommen in die Steiermark, wo er bei der kommenden Landtagswahl am Posten des Landeshauptmanns sägen will. In der Steiermark sind auch die Abfangjäger stationiert. Dazu hat Kunasek bisher kein Wort verloren. Hier geht es aber, egal welche Variante man wählt, Aufrüsten der Eurofighter oder Kauf neuer Jets, um viel mehr Geld. Mit eineinhalb bis zwei Mrd. Euro rechnen Fachleute.

Als der oberste Milizsoldat, der ÖVP-nahe Generalmajor Hameseder, Ende Juli daran erinnerte, dass eine Miliz nur sinnvoll sei, wenn die Reservisten laufend übten, nahm Kunasek den Steilpass auf und forderte, den Wehrdienst wieder zu verlängern. Die Reduktion von acht auf sechs Monate seines Vorgängers Günther Platter sei eine „wahltaktische Fehlentscheidung“ gewesen. Die ÖVP lies Kunasek abblitzen: Das stünde nicht im Regierungsprogramm, die Verkürzung habe sich bewährt. Ja, für die Kernschicht der ÖVP-Wähler: Bauern und Gewerbetreibende.

Beim Geld steht das Heer wohl weder bei der FPÖ noch bei der ÖVP ganz oben auf der Agenda.

Prof. Gerhard Vogl ist Absolvent der Militärakademie und war mehr als 30 Jahre im ORF, u. a. als zentraler Chefredakteur.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2018)

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