So oder so kostet uns der ORF etwas

Den ORF aus dem Bundeshaushalt zu finanzieren verschiebt die Belastungen nur von der Merkbarkeit in die Unmerkbarkeit.

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Dass Rundfunk und Fernsehen Nutzen stiften und Teil der Lebensqualität sein können, ist unbestreitbar! Dass es sich um Dienstleistungen handelt, die Kosten verursachen, die von irgendjemandem getragen werden müssen, auch. Es handelt sich dabei um, sachlich gesprochen, Dienstleistungen, die individuell in Anspruch genommen und genossen werden können. Wenn dies zutrifft und außerdem sichergestellt ist, dass die Nachfrage nach diesen Dienstleistungen relativ stabil ist, dann wäre sogar daran zu denken, dass eine privatwirtschaftliche Bereitstellung über den Markt infrage kommt – aber: So einfach ist die Sache nicht.

Die Verbreitung der Sendeprogramme hat technisch besehen das besondere Merkmal, dass ihr Konsum ohne wechselseitige Beeinträchtigung uneingeschränkt möglich ist, weil der Ausschluss einzelner Nutznießer sehr aufwendig ist. Neben diesem technisch-ökonomischen Aspekt besteht natürlich auch noch der eines öffentlichen Interesses an der Sicherung von Information und der des – wie immer umschriebenen – Kulturauftrags. Wie dem auch sei, ohne aufwendige Vorkehrungen sind Einrichtungen wie der ORF nicht ohne erhebliche Komplikationen dafür geeignet, dem (Wettbewerbs-)Markt überlassen zu werden. Also gibt es die Organisationsform der öffentlich-rechtlichen Anstalt.

Für eine solche kommen tatsächlich – und wie politisch gerade vor Augen geführt – zwei Finanzierungmodelle infrage: das über allgemeine Steuermittel einerseits und das über zweckgebundene Abgaben andererseits. Jetzt gilt das Modell der zweckgebundenen Abgabe. Und das Wunschmodell ist offenbar das der Finanzierung aus allgemeinen Steuermitteln (denn eine zweckgebundene Rundfunksteuer ist ja wohl als – prinzipiell denkbare – Alternative auszuschließen).

In der Finanzwissenschaft (und der Finanzpsychologie) galt immer, dass es der Sache am dienlichsten ist, wenn für Nutznießer empfangene Leistung und erbrachte Gegenleistung transparent sind. Deshalb sind Modelle von zweckgebundenen Abgaben steuertheoretisch und steuerpsychologisch seit Langem empfohlen worden. So weit, so gut.

So wird Steuerillusion erzeugt

Nun wird die Abschaffung der ORF-Gebühren mit dem Argument propagiert, dass dies eine legitime und fühlbare Entlastung der Menschen zur Folge hätte. In Wahrheit wird dabei nichts anderes gemacht, als die Belastungen von der Merkbarkeit in die Unmerkbarkeit zu verschieben. Denn als (nicht unerheblicher) Teil der budgetären Belastungen ist die Zuordnung zu den Nutznießern nicht mehr möglich. Es wird das erzeugt, was als „Steuerillusion“ bekannt ist, es wird eine Scheinentlastung vorgenommen, die auch noch praktisch unkontrollierbare Umverteilungseffekte beinhaltet (denn die Frage, wer letztendlich welche Steuerlast zu tragen hat, ist technisch und statistisch äußerst diffizil).

Dazu kommt, dass die Finanzierung des ORF über Steuern wohl nicht als Ermessensausgabe klassifiziert werden wird, sondern einen Fixposten im Bundeshaushalt bedeutet, der letztlich nur zu einer vermehrten Starrheit des Bundeshaushalts führt, die wiederum nur durchbrochen werden könnte, wenn die Finanzierung des ORF im Zuge der Budgeterstellung infrage gestellt würde, was aber nur in Verbindung mit einer radikalen Reform der Organisationsform möglich ist.

Diese vermeintlich konsumentenfreundlich erscheinende Befreiung von den ORF-Gebühren ist in Wahrheit ein (noch gedachter) Etikettenschwindel, der finanztheoretischen und finanzpsychologischen Erkenntnissen diametral zuwiderläuft.

Wolfgang Weigel (*1945) war Prof. für Wirtschaftswissenschaften an der Uni Wien und ist Leiter des Joseph von Sonnenfels Center für ökonom. Analyse des öfftl. Rechts.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2019)

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