Gastkommentar

Die „Krone“ ohne Dichands?

Christoph und Ehefrau Eva Dichand auf einem Schnappschuss von Eva Dichands öffentlichem Instagram-Account.
Christoph und Ehefrau Eva Dichand auf einem Schnappschuss von Eva Dichands öffentlichem Instagram-Account.(c) Screenshot
  • Drucken

Zum 60. Geburtstag der „Kronen Zeitung“ am 11. April scheint das Undenkbare plötzlich möglich: ein Ende der Ära Dichand.

Gastkommentare und Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

Vor etwas mehr als 60 Jahren stieg Hans Dichand in Wien in einen Opel Kapitän und fuhr in Richtung Amstetten. Er wollte die Titelrechte einer Zeitung erstehen, die seit Jahrzehnten nicht mehr erschienen war. Er bezahlte schließlich 170.000 Schilling für den Namen „Kronen Zeitung“. Wie dubios die Neugründung der „Krone“ danach abgelaufen ist, ist eine der vielen Geschichten, die wir zum 60. Geburtstag der immer noch mächtigsten Zeitung Österreichs am 11. April für das erste „Dossier“-Magazin recherchiert und geschrieben haben.

Sie handeln auch vom beeindruckenden Erfolg der „Krone“: Immer noch lesen mehr als zwei Millionen Menschen wochentags die Zeitung – an Sonntagen sind es fast 2,5 Millionen. Ganz unbeschwert können Hans Dichands Erben, allen voran Sohn Christoph, den Erfolg zum 60er nicht feiern. Die Gründe dafür sind vielfältig, sie beginnen mit einem Alleingang des Vaters vor 16 Jahren: 2003 setzte Hans Dichand gegen den Willen der deutschen Hälfteeigentümer, der WAZ (heute: Funke Mediengruppe), seinen Sohn als alleinigen Chefredakteur der „Krone“ ein. Die Folge: ein erbittert geführter Medienkrieg zwischen den Dichands und den Deutschen – seit Hans Dichands Tod im Jahr 2010 führt Christoph ihn im Namen seiner Familie fort. Lang behielt er die Oberhand, bis im September 2018 der Nachlass seines Vaters geregelt und das Vermögen samt Kunstsammlung aufgeteilt war. Plötzlich kam Bewegung in die Eigentumsverhältnisse. Der Tiroler Investor René Benko stieg ein.

Im März 2019 wurden Vorwürfe des Spesenmissbrauchs und eine angebliche Entlassungsklage gegen Dichand publik. Seither herrscht in der „Krone“ Alarmstimmung. Sogar der sonst schweigsame Christoph Dichand meldete sich zu Wort – und wie: „Dies ist ein Angriff auf die Unabhängigkeit der ,Krone‘ und ihrer Redaktion – und damit auch auf die Pressefreiheit“, verkündete er in einer Presseaussendung. Während er sich zum Fahnenträger der unabhängigen Presse hochstilisierte, stießen wir bei der Recherche zur „Krone“ auf das Gegenteil: auf Abhängigkeiten auf und von vielen Seiten.

Etwa im Chronikressort, in dem das Blatt wohlwollend über die Polizei berichtet, Exekutivbeamte zu „Lebensrettern“ kürt – und auf der anderen Seite mit exklusiven Informationen zu Verbrechen versorgt wird. Oder im Sportressort, in dem einst „Krone“-Redakteure als Pressesprecher für Sportverbände tätig waren, über die sie berichteten – eine Praxis, die es heute nicht mehr geben soll, wie uns versichert wurde. Sogar in der „Tierecke“ stießen wir auf seltsame Naheverhältnisse – egal, ob zu einer Stadträtin, mit der man gemeinsam Geld sammelte, oder Waffenproduzenten wie Geschäftskunden, die spenden oder im Blatt inserieren. Die wirtschaftliche Abhängigkeit der „Krone“ lässt sich am einfachsten durch eine Zahl ausdrücken: 135 Mio. Euro. So viel öffentliches Geld floss durch Inserate seit Mitte 2012 an das Blatt und sein Onlineportal.

Benko beruhigt Dichands

Womöglich ist es nicht die beschworene journalistische Unabhängigkeit, die Dichand durch Benkos Einstieg bei der größten Zeitung Österreichs in Gefahr sieht. Es geht wohl eher um die Herrschaft der Dichands – deren Ende erstmals zumindest möglich scheint. Auch wenn Benko gerade im „Presse“-Interview verkündete, dass die Dichands nichts zu befürchten hätten: „Christoph Dichands Rolle als Herausgeber und Chefredakteur soll aus meiner Sicht unberührt bleiben“, sagte er. Ob Benkos Bekenntnis ausreicht, um Dichand in Feierlaune zu versetzen, darf – wie die Unabhängigkeit der „Krone“ – bezweifelt werden.

Georg Eckelsberger, stv. Chefredakteur von "Dossier".
Georg Eckelsberger, stv. Chefredakteur von "Dossier". Dossier

Georg Eckelsberger(* 1985) ist stv. Chefredakteur der Rechercheplattform Dossier, die gerade ihr erstes investigatives Printmagazin zur „Kronen Zeitung“ veröffentlicht hat. Bestellbar unter: www.dossier.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.