Die EU wird das Weltklima nicht retten

Widerrede zum Kommentar von Heinz Kopetz („Die Presse“, 29.4.): Klimanotstand zwischen Alarmismus und Interessenpolitik.

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Klimanotstand besteht darin, dass die CO2-Emissionen in Österreich viel zu hoch sind und in ihrer jetzigen Höhe in diesem Jahrhundert zu einer globalen Erwärmung von etwa drei Grad Celsius führen werden.“ Diese Aussage findet sich im „Presse“-Kommentar von Heinz Kopetz. In Wirklichkeit ist es für das Weltklima unerheblich, was ein kleines Land wie Österreich tut. Nicht unerheblich ist es für die wirtschaftliche Zukunft der österreichischen Bioenergieerzeuger.

Dazu ein paar Kennzahlen: Der gegenwärtige globale CO2-Ausstoß beträgt nicht 30Gigatonnen, sondern etwa 38Gigatonnen (38.000Millionen Tonnen). Der Anteil der EU liegt bei knapp unter zehn Prozent des Weltausstoßes. Ihre CO2-Emissionen sind in den letzten zwei Jahrzehnten um fast 20Prozent gefallen. Chinas jährliche Emissionen betragen über elf Gigatonnen, also nicht ganz 30Prozent der globalen Emissionen. Sie haben sich in den letzten beiden Dekaden mehr als verdoppelt, sind aber in den letzten Jahren weitgehend stabil geblieben. Pro Kopf emittiert China bereits mehr als die EU, die USA doppelt so viel.

Eines steht fest: Die Europäische Union kann das Weltklima, und nur um das geht es, nicht retten. Hier bedarf es einer gemeinsamen Anstrengung der sechs größten Emittenten. Nämlich China, USA, EU, Indien, Russland und Japan, die zusammen für fast drei Viertel der globalen CO2-Emissionen verantwortlich sind.

Nun gibt es Argumente, die für eine Vorreiterrolle Europas in Grenzen sprechen. Die meist zitierte Vorbildwirkung wird gemeinhin überschätzt, der Druck der eigenen Bürger in den versmogten Großstädten Chinas wirkt fraglos schwerer, als „Peer Pressure“ eines fernen Vorzugsschülers. Strengere Umweltnormen stellen kurzfristig Nachteile für traditionelle Wirtschaftszweige dar, fördern aber langfristig die Entwicklung einer leistungsfähigen europäischen Umweltindustrie. Überstürzte Politikmaßnahmen zur Rettung des Klimas sind meist kontraproduktiv und kostspielig, wie die verfahrene Energiewende in Deutschland belegt. Die Aussage von Kopetz, Wind und Sonne würden nichts kosten, ist absurd. Ihre energetische Nutzung verschlingt in Europa jährlich zig Milliarden Euro für Subventionen, Abschreibungen, Sicherungsmaßnahmen der Netzstabilität und Netzausbauten. Im Übrigen erleben wir ein Revival der Atomstromerzeugung, mit all ihren Problemen, aber in der Lage, CO2-frei Bandstrom zu erzeugen.

Weltuntergangsdystopien

Schon treiben „Kollapsologen“ mit Weltuntergangsdystopien ihr Unwesen. Tatsächlich stoßen wir angesichts der Entwicklung der Weltbevölkerung und des steigenden materiellen Wohlstands zunehmend an Grenzen des bisherigen Wachstums. Aber statt mit Alarmismus und Angstmacherei interessengeleitet oder emotionsgetrieben Aktionismus von der Politik zu fordern und biedermeierlicher Lebensart zu frönen, sollte sich Europa auf seine Stärken und Chancen konzentrieren. Die wahre Herausforderung besteht nämlich darin, eine massive Forschungs- und Innovationslawine loszutreten, um disruptive technische und wirtschaftlich verträgliche Alternativlösungen für die hauptverantwortlichen CO2-Emissionsbereiche, Verkehr, Energiewirtschaft, Industrie und Landwirtschaft zu finden. Beispiele könnten Wasserstoffantriebe, Fusionsreaktoren, verbesserte Speichertechnologien, Carbon Capture, eine CO2-freie Stahlerzeugung etc. sein. Diese würden den Entwicklungs- und Schwellenländern erlauben, auf ihrem Weg zu Wohlstand in einer Wirtschaft mit niedrigem Treibgasausstoß rascher voranzukommen.

Erhard Fürst (Jahrgang 1942) war zuletzt Bereichsleiter der Industriellenvereinigung für Industriepolitik und Ökonomie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2019)

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