Kann denn Vereinsgründung Sünde sein?

Ibiza-Gate. So oft schon habe ich den Ruf nach politischer Tabula rasa gehört. Zu oft.

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So ist denn alles Heuchelei. Seit jeher von der Überzeugung durchdrungen, in einem durch und durch korrupten System und durch und durch unabänderbar korrupten Land zu leben, bin ich mir als sogenannter gelernter Österreicher, der eine harte Lehre hinter sich hat, völlig im Klaren darüber, dass ich es mit Menschen zu tun habe, die zwischen Red-Bull, Wodka und Aschenbecher im Ruderleiberl mit der größten Selbstverständlichkeit sagen, sie stünden in der Früh reinsten Gewissens auf, sie seien sauber, es sei ihnen heilig, nichts Rechtswidriges zu machen, den Scheiß würden sie nicht brauchen, Bestechungsversuche hätten sie immer abgelehnt, das sei ihre Stärke – und was die Gegenleistung für die Übernahme der „Krone“ noch vor der Wahl betreffe, wodurch sie zur Nummer eins würden, da könne man über alles reden, wirklich über alles, sogar über die Gründung eines Vereins oder einer Briefkastenfirma, über private Ermöglicher, Freunde, Donatoren. Kann denn Vereinsgründung Sünde sein?

Und dann sagen sie mir gutgläubig glupschäugig: „Schau nur einmal in den Spiegel, mit der ,Krone‘ hast du die Waffe in der Hand, dass alle dich schalten und walten lassen in Österreich.“ Neben der „Krone“ sei nur der ORF politisch wirklich wichtig, Zentralanstalt des Gutgemeinten und der pädagogischen Belästigungen, gestaltungspolitisch und machtpolitisch. Wer die „Krone“ besäße, verfüge nicht nur über die Meinungshoheit (Binsenweisheit!), sondern auch über das Machtmonopol, andere Geschäftszweige zu eröffnen, als da wären – na, ich werde mich hüten, die hier und jetzt auszuplaudern! Die Medienschelte könnte übrigens im Grund aus jedem einzelnen Thomas-Bernhard-Stück zusammenzitiert sein.

Was? Wir sind nicht so, Herr Präsident? Hat nicht schon Herr Kirchschläger gefordert, „die Sümpfe und sauren Wiesen trockenzulegen“? (Da hat es noch nicht einen einzigen Neo auf der Welt gegeben!) Ein Herr Waldheim „moralische Erneuerung“? (Wer, wenn nicht er . . . ?) Und wer hat noch schnell gedroht: „Ohne die Partei seid ihr nichts“? Glüüücklich iiist, wer vergiiiisst . . . Ist nicht ein Herr Haider über „moralische Flachwurzler“ herzogen? Ist nicht schon ein Herr Strasser bespitzelt worden? Und wie war das mit Herrn Lüdgendorf? . . . was doch nicht zu ääändern ist. Lernen Sie Geschichte, Herr Präsident! Doch, doch, wir sind so! Die Welt steht auf jeden Fall schon zu lang.

Peinliche Moralschleimerei

Derlei Charakteren sehenden Auges unentwegt über den Weg zu laufen ist also selbstverständlich, handelsüblich und von der normativen Kraft des Faktischen gespeist. Alles andere zu behaupten wäre peinliche Moralschleimerei am Nationalfeiertag und zu Neujahr, amen! Who cares? Intriganz und Korruptheit bestechen vor allem durch Nachhaltigkeit. Wie oft in meinem Leben und nach wie vielen Skandalen habe ich schon die Forderungen nach politischer „Tabula rasa“ und „völligem Neubeginn“ gehört. Und es sind letztlich doch immer nur Fragen von Machtwechsel oder Machtmaximierung gewesen. So viele Korruptionsstaatsanwaltschaften kann man gar nicht gründen, dass ein so korruptes Gesellschaftssystem auch nur um ein Korruptionerl und ein Intriganzerl ärmer würde.

So sind sie halt, die Leute und die Menschen. Ich habe fast jedes einzelne Gegenüber im permanenten Generalverdacht, sich nicht strafbar zu machen und gleichzeitig ethisch bedenklich zu sein. Oder, wie ich es früher ausgedrückt habe: Der Mensch ist gut. Nur die Leut' sind a Gesindel! Ceterum censeo Austriam delendam esse. Aber nicht jetzt, in der Mittagspause . . . gehen wir auf ein Plauscherl . . .

Egyd Gstättner (geboren 1962) ist Schriftsteller und Essayist.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.05.2019)

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