Experiment, vorerst gescheitert

Trotz des beachtlichen Reformpensums von Türkis-Blau endet wieder eine Koalition mit der FPÖ vorzeitig.

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„Nachdenken“ ist ein Schlüsselwort in der aktuellen innenpolitischen Situation. Das gilt auch für die Rolle des sogenannten dritten Lagers, das sich rund um die FPÖ schart. Und ein spezielles Licht auf die SPÖ wirft.

Nachdem die ÖVP 1945 gleich bei den ersten Wahlen eine absolute Mehrheit erhalten hatte, war es das Interesse der SPÖ, im Mitte-rechts-Wählerreservoir eine Konkurrenzpartei zur ÖVP anzusiedeln. Der damalige SPÖ-Innenminister, Oskar Helmer, spielte 1949 eine nicht unerhebliche Geburtshelferrolle bei der Gründung des VDU. Dieser „Verband der Unabhängigen“ sollte die sogenannten Ehemaligen und Heimatvertriebenen in den demokratischen Reifeprozess einbinden. 1956 wurde die FPÖ aus der Taufe gehoben, als Auffangbecken „brauner“ Nostalgiker und überzeugter Deutschnationaler, wies aber auch einen liberalen Wählerstock auf, von dem so gut wie nichts mehr zu hören ist. Immer wieder kämpfte die FPÖ ums Überleben. Politisch wie finanziell. 1964 war es SPÖ-Gewerkschaftsboss Franz Olah, der der FPÖ in Geldnot eine Millionenspritze zukommen ließ.

1970 konnte Bruno Kreisky nur eine Minderheitsregierung bilden, indem er sich das Wohlwollen der FPÖ erkaufte. Und damit der Partei und deren Obmann, Friedrich Peter, das politische Überleben sicherte. Einerseits, indem Peters SS-Vergangenheit keine gerichtlichen Folgen hatte, andererseits die FPÖ ein Wahlrecht erhielt, das die Hürde für den Einzug ins Parlament maßgeblich senkte.

1983, als Bruno Kreisky die absolute Mehrheit verloren hatte, machte Alois Mock der FPÖ, damals unter dem liberalen Parteiobmann Norbert Steger, ein Koalitionsangebot. Vergeblich, die Partei hatte sich entschieden, der SPÖ zu helfen, weiterhin an der Macht zu bleiben. Damit war es 1986 zu Ende, als Jörg Haider in der FPÖ an die Macht kam und SPÖ-Bundeskanzler Franz Vranitzky die rot-blaue Koalition beendete. Es ist dies die Zeit, in der die Wähler der großen Volksparteien beginnen, sich auf Wanderschaft zu machen. Die kleine FPÖ schaltet um auf Rechtspopulismus und wird zur Mittelpartei.

Nach 13 Jahren einer Großen Koalition wagte Wolfgang Schüssel 2000 erstmals die Bildung einer Koalition der ÖVP mit der FPÖ. Nicht zuletzt deshalb, weil die Verhandlungen mit der SPÖ gescheitert waren. Der Machtverlust der SPÖ führte aber dazu, dass der Apparat der Sozialistischen Internationalen nicht nur gegen die ÖVP, sondern gleich gegen Österreich mobilisiert wurde. Was der SPÖ erlaubt war, wollte man bei der ÖVP nicht dulden, die EU beschloss Sanktionen gegen Österreich, die bald zurückgenommen wurden.

Damals wie heute schafften die Mitte-rechts-Regierungen ein beachtliches Reformpensum. Es war letztlich die FPÖ, um bei der Wahrheit zu bleiben, die zweimal das schwarz-blaue bzw. nunmehr türkis-blaue Experiment zum Scheitern brachte. Und Schuld tragend war eine Hypertrophie blauer Spitzenvertreter. Wobei diesmal mehr als seinerzeit noch das wiederholte Auftauchen nationalistischer und brauner Rülpser hinzukam.

Die Argumentation, dass man das sogenannte dritte Lager in die Verantwortung für dieses Land einbinden müsse, nicht in einer Außenseiterposition verharren lassen dürfe, was nur zur Radikalisierung verleite, hat der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer angesprochen: „Ich wünsche mir aus demokratiepolitischen Gründen, dass die Freiheitlichen eine Staatspartei werden. Sie haben es nicht geschafft.“ Diese FPÖ, will sie dem Namen „freiheitlich“ gerecht werden, muss sich daher einem Nachdenkprozess unterziehen, endlich Altlasten abwerfen, um wieder regierungsfähig zu werden. Und nicht trotzig auf „Jetzt erst recht“ beharren.

Mag. Herbert Vytiska (* 1944) war langjähriger Mitarbeiter von Alois Mock.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2019)

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