Strafjustiz im Chaos: Niemand hat das verdient

(c) Peter Kufner
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Es kann und darf nicht sein, dass die Spitzen unserer Justiz aufeinander losgehen, um alte Rechnungen zu begleichen.

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Teile der österreichischen Strafjustiz beschäftigen sich derzeit zunehmend mit sich selbst. Abhilfe tut dringend Not. Damit meine ich nun nicht die Festveranstaltung zum 100-jährigen Bestehen der Vereinigung Österreichischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte am 23. Mai 2019 im Justizpalast, bei welcher sehr eindrucksvoll (samt neuem Logo) und durchaus zu Recht von der Standesvertretung die Bedeutung der Staatsanwaltschaft als Organ der Rechtspflege gefeiert wurde. Bei dieser Veranstaltung wurde von nahezu allen Rednern zutreffend betont, wie wichtig das Vertrauen der Bevölkerung in die Tätigkeit der Staatsanwaltschaft ist. Geradezu traditionell wurde sowohl von der Präsidentin der Richtervereinigung, Sabine Matejka, als auch von der Vereinigungspräsidentin Cornelia Koller das Weisungsrecht als unbedingt zu ändernder Übelstand beklagt.

Nun kann man über das Vertrauen der Bevölkerung in die Staatsanwaltschaft als objektive Strafverfolgungsbehörde im Zusammenhang mit dem Weisungsrecht durchaus geteilter Meinung sein, die Diskussion darüber ist ebenso alt wie nicht enden wollend. Fakt ist, dass es eine verschwindend geringe Zahl von Weisungen (auf Verfahrenseinstellungen) gibt.

Den diesbezüglichen Stein der Weisen hat leider noch niemand gefunden. Ob man nun an der Spitze der Weisungskette einen Generalstaatsanwalt anstelle des Justizministers installiert, ist meines Erachtens unerheblich, wird doch am Ende des Tages immer eine natürliche Person die Verantwortung für staatsanwaltschaftliches Handeln tragen und dafür dem Parlament politisch verantwortlich sein müssen. Meiner Einsicht nach richtig wurde von den Standesvertretern auch mehr Transparenz ihres Handelns gefordert. So weit zum Positiven.

Nun ist allerdings ein negatives Phänomen zutage getreten, welches selbst mich als seit knapp 40 Jahren als Strafverteidiger tätigen Anwalt in ungläubiges Staunen versetzt.

Wie diversen Medienberichten zu entnehmen ist („Die Presse“ vom 17. 5.), wird Generalsekretär Christian Pilnacek und zwei Oberstaatsanwälten von der WKStA (Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft) in einem als „Informationsbericht“ bezeichneten Papier zumindest inhaltlich das Verbrechen des versuchten Amtsmissbrauches nach § 302StGB vorgeworfen.

Ausgangspunkt dieses an die Oberstaatsanwaltschaft Wien gerichteten „Informationsberichtes“ ist eine Dienstbesprechung vom 1. April 2019 zum gesamten Verfahrenskomplex Eurofighter. Sowohl das Protokoll dieser Dienstbesprechung, welches heimlich mittels Tonbands aufgezeichnet wurde, als auch der Informationsbericht wurden zeitnah mehreren Medien dieses Landes zugespielt, wodurch jedenfalls der Tatbestand der Verletzung des Amtsgeheimnisses nach § 310 StGB verwirklicht wurde. In der Folge wurde medial breit darüber berichtet.

Parallel dazu läuft ein Verfahren wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs gegen den vormaligen Sachbearbeiter im sogenannten Eurofighter-Verfahren bei der StA Eisenstadt, da es von diesem zum einen gesetzwidrig verabsäumt wurde, einen Beschuldigten von dem gegen ihn laufenden Verfahren zu verständigen, und das Verfahren zum anderen nach ergebnislosen Ermittlungen bereits im Jahr 2013 rechtswidrig einfach abgebrochen wurde.

„Kriegsgrund“ BVT-Affäre

Die als „Informationsbericht“ titulierte Anzeige wurde vom Justizminister an die StA Linz zur rechtlichen Prüfung weitergeleitet, und es bleibt abzuwarten, ob von der dortigen Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren eröffnet wird oder der dazu erforderliche Anfangsverdacht verneint wird. Ein Ermittlungsverfahren hätte wohl die sofortige Suspendierung des Generalsekretärs zur Folge.

Einer der „Kriegsgründe“ für die Anwürfe der WKStA gegen den Generalsekretär soll die „BVT-Affäre“ sein, d. h. die rechtswidrige Hausdurchsuchung auf Antrag der WKStA, welche dazu führte, dass die Berichtspflichten der WKStA verschärft wurden.

Es ist aus der Sicht der normunterworfenen Staatsbürger dieses Landes, d. h. der Klienten von uns Strafverteidigern, schlicht unzumutbar, Opfer dieser Diadochenkämpfe zwischen hohen Justizbeamten zu sein. Dies noch dazu vor dem Hintergrund notorisch überlanger Strafverfahren gegen mehr oder weniger prominente Bürger dieses Landes, womit sich Kollege Georg Vetter in einem Beitrag in der „Presse“ vom 15. Mai ausführlich auseinandergesetzt hat.

Es bedarf keiner näheren Erläuterung, dass derartige Zustände auf dem Rücken der Betroffenen, die mitunter jahrelang strafrechtlicher Verfolgung und den damit einhergehenden psychischen und existenzbedrohenden finanziellen Folgen ausgesetzt sind, eines modernen Rechtsstaates unwürdig und vollkommen untragbar sind.

Es kann und darf nicht sein, dass die Spitzen unserer Justiz „mit dem Messer zwischen den Zähnen“ aufeinander losgehen, um entweder alte Rechnungen zu begleichen oder schlicht ihre Arbeitsverhältnisse zu verbessern. Der Bundesminister ist aufgerufen, als oberstes Organ der Justiz dringend Abhilfe zu schaffen, wobei die vom Minister vorgeschlagene Mediation wohl kaum ein geeignetes Mittel darstellt, will man nicht das – aus meiner Sicht durchaus sinnvolle und notwendige – Instrument der Weisung ad absurdum führen.

Nochmals zur Verdeutlichung der Dramatik der Vorgänge:
► Eine Dienstbesprechung zwischen höchsten Justizbeamten wird heimlich aufgezeichnet.
► Das aufgrund dieser heimlichen Aufzeichnung angefertigte (dem Vernehmen nach noch dazu unvollständige) Protokoll wird ebenso wie ein daraus resultierender „Informationsbericht“ an die Oberstaatsanwaltschaft Wien (in Wirklichkeit eine Strafanzeige) mehreren Medien zugespielt.
► Als einzig ersichtliche Konsequenz schlägt der zuständige Minister wie bei zerstrittenen Eheleuten eine Mediation vor!

Diese Vorgänge sind mehr als besorgniserregend. Es ergeht daher an dieser Stelle der dringende Appell an alle Beteiligten im Interesse einer funktionierenden (und diesen Eindruck auch nach außen vermittelnden) Strafrechtspflege, die letztlich auf dem Rücken der von der Strafjustiz verfolgten Bürger ausgetragenen Streitigkeiten unverzüglich beizulegen! Es ist zwar zulässig und wünschenswert, juristische Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Staatsanwaltschaften (inklusive WKStA) sowohl intern als auch gegenüber der Fach- und Dienstaufsicht (auch heftig) zu diskutieren, es geht jedoch nicht an, dass juristische Streitigkeiten innerhalb der Strafverfolgungsbehörden durch nach außen getragene Strafanzeigen ausgefochten werden. Gegen solches, das bei der eingangs erwähnten Festveranstaltung beschworene Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz konterkarierendes Verhalten einiger Vertreter einer vermeintlichen Elitebehörde namens WKStA ist unsere derzeitige Regierungskrise geradezu harmlos, ist doch bei dieser zumindest durch eine bevorstehende Wahl ein Ende in Sicht.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Der Autor

Dr. Manfred Ainedter (* 17. 8. 1951) ist Rechtsanwalt und Strafverteidiger in Wien. Er führt seit 1980 eine selbstständige Kanzlei, seit 2012 in Partnerschaft mit seinem Sohn Mag. Klaus Ainedter. Er ist Verteidiger u. a. von Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und dem ehemaligen Skifahrer Karl Kahr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2019)

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