Das politische Geschäft ist ohne Deals nicht denkbar

Die Geschichte ist geradezu übersät mit zweifelhaften Tauschgeschäften.

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Der Funktionär einer Partei wird mit Hilfe eines mächtigen Glückspielkonzerns in den Vorstand eines teilstaatlichen Unternehmens dieser Branche geschleust. Dem mächtigen Konzern werden dafür politische Versprechen gegeben. Es geht im Grunde darum, das Monopol dieses schillernden Wirtschaftszweigs aufzubrechen. Die Sache wird ruchbar, und es erfolgt eine anonyme Anzeige an die Korruptionsstaatsanwaltschaft.

Die Justizbehörde findet die Anzeige plausibel und veranlasst Hausdurchsuchungen bei den Entscheidern der involvierten Partei. Die Nachricht darüber macht blitzartig die Runde und bewirkt in den Medien eine Orgie der Empörung. Die Rede ist von Postenschacher, politischer Bestechlichkeit und Skandal. Die Partei, um die es geht, wird als koalitionsunwürdig gebrandmarkt. Beim Publikum entsteht der Eindruck der Einmaligkeit und des Exzeptionellen – eine Missetat, gegen die alle übrigen Parteien immun sind.

Fragen drängen sich auf, vor allem diese: Hatte der Skandal die Megadimension, die ihm zugeschrieben wird? Handelte es sich um einen einzigartigen Vorgang? Welche moralische Qualität haben Deals ganz allgemein? Sind sie allesamt das Ergebnis einer unbefleckten Empfängnis? War die aufgeloderte Empörung der Ausdruck echten Zorns über eine demokratiepolitische Todsünde oder eher der einer maskierten Selbstgerechtigkeit und Heuchelei?

Donald Trumps schräge Deals

Es ist kein Zufall, dass die Weltpolitik zum Zeitpunkt der Aufregung in Österreich voll ist mit Deals unterschiedlichster Spielart. Donald Trump propagierte nach all seinen anderen geglückten oder missglückten, zumeist ein wenig schrägen Deals mit China, Nordkorea etc. einen neuen, „fantastischen“ Handelsdeal mit Großbritannien. Dort kaut man indes noch an der Sache mit dem Brexit und seiner Ungenießbarkeit. In guter Erinnerung ist ansonsten die Pilgerreise der Frau Von der Leyen in diverse europäische Länder mit dem Versprechen, deren Interessen als Gegenleistung für ihre Bestellung zur Ratsvorsitzenden zu vertreten. Lauter Deals mit dem Hintergedanken des eigenen Vorteils, was denn sonst?

Churchills Hölzchenspiel

Immer und überall geht es um den Eintausch einer Eigenleistung zugunsten eines erzielten Nutzens. Die Geschichte ist geradezu übersät mit zweifelhaften Tauschgeschäften. Man denke beispielsweise der Konferenzen von Teheran und Jalta im Zweiten Weltkrieg, als die „Großen Drei“ (USA, Großbritannien und Sowjetunion) zusammensaßen, um in vertraulicher Kumpanei die Verschiebung der Ländergrenzen in Mittelost- und Südosteuropa auszuschnapsen.

Berühmtheit erlangt hat dabei das Verhalten Winston Churchills, der mit drei Streichhölzern (als Symbole für die UdSSR, Polen und Deutschland) den „Marsch Polens nach Westen“ auf Kosten der Deutschen und das geografische Nachrücken der Sowjets demonstrierte. Das zur Realität gewordene Hölzchenspiel des britischen Premiers bestimmte in Folge das Schicksal von Millionen Menschen und bewirkte jahrzehntelange Konflikte, die bis heute nicht ausgesessen sind. Wer fragt eigentlich noch nach den Deals von damals und wer legt ihre historische Berechtigung auf die Waage?

Man kann es drehen, wie man will: Politik ist ohne Deals nicht denkbar. Im Grunde geht es immer wieder um dies: Du gibst mir sechs Kühe, dafür kriegt dein Sohn meine Tochter. So simpel, so üblich, so normal. Aber kein guter Boden für Paragrafen.

Andreas Kirschhofer-Bozenhardt war Journalist, ehe er 1964 in die empirische Sozialforschung wechselte und das Institut für Markt- und Sozialanalysen (Imas) aufbaute.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2019)

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