Geschlechterdebatte: Wie schlecht ist doch die Männerwelt!

Ohne Eigenstigmatisierung, Legendenbildung und Märtyrerstatus geht nichts mehr. Genderwahnsinn ohne Ende?

Im Anfang war die Bundeshymne. Das rief die Töchter auf den Plan. Die Partitur zur Empörungssonate, die gerade erklingt, ist fertig geschrieben. Ein großer maternalistischer Chor fällt lautstark ins Crescendo von besseren Karrierechancen ein und stimmt den Hochgesang auf die verpflichtete Frauenquote an.

Soll heißen: Frauen müssen allein für ihr Geschlecht schon als etwas Höherbezahltes angesehen werden, während Männer endlich gehaltsmäßig domestiziert und von den – wohl oder übel – erworbenen Futterstellen samt üppiger Lohnzettel verdrängt werden. Deswegen wird der „Equal Pay Day“ als Aktionstag gleich zweimal im Jahr begangen. Weibliche Logik – oder was?

Der Tenor des in Endlosschleife aufgeführten Singsangs: Wir sind die besseren, Männer behindern uns am Erfolg, am karrieremäßigen Durchstarten, gläserne Decke quasi! Deswegen muss eine Benachteiligung der Männer her, um Gleichstellung zu erlangen.

Ein Blick ins Fernsehen reicht, abendliche Unterhaltung im ORF. „Mythos Einkommensschere – ein schlechter Scherz?“ lautete das Thema im „Club2“. Und mit dem Titel war fast alles über den „Club“ gesagt: ein schlechter Scherz! Und eine Vorahnung davon, wenn Aufsichtsräte und Vorstände nach Quote besetzt sind. Sarkissova über alles!

Real existierender Feminismus

Ein Blick in die Literatur. Die britische Autorin Fay Weldon schrieb: „Heute können Frauen über Männer sprechen, wie es Männern umgekehrt niemals mehr erlaubt wäre. Es wurde inzwischen zum akzeptierten Gemeinplatz, dass das gesamte männliche Geschlecht in der Pop-Kultur zum Narren gemacht wird. Und wie reagieren die Männer? Eigentlich wie Geiseln, die sich in ihre Entführer verliebt haben: Ich bin wirklich erstaunt. Versuchen Sie heute einmal einen Film über eine Frau zu machen, die nicht stark und unabhängig ist. Er wird nicht gemacht werden. Männer rauf und runter zu beleidigen, dafür hingegen gibt es jederzeit grünes Licht“ (zitiert aus „Godless in Eden“, 1999). „Die Schutzherrschaft der Armen zu übernehmen, war in der Politik immer das sicherste Mittel, sich zu bereichern“, sagte Nicolás Gómez Dávila. Und gibt es ärmere Opfer als die Frau? Hat der real existierende Feminismus die Familie zerstört? Und ist nun die Gesellschaft endlich auch so weit?

Lohnschere: Was sind die Fakten?

Als Mittel zum Zweck dient die sogenannte Lohnschere. Frauen, welch unsägliche Ungerechtigkeit, verdienen immer noch weniger als Männer. Nicht nur irgendwelche, sondern alle. Und was sagt die Statistik Austria? Für 2008 wurden 25,749 Milliarden Euro an Steuereinnahmen ausgewiesen, wobei 73,4 Prozent von Männern erbracht wurden. Gleichzeitig gehen aus den 8,106 Milliarden Euro staatlicher Transferleistungen 60 Prozent an Frauen; im Jahr davor waren es noch 57 Prozent.

Im Jahr 2010 wurden die 6,977 Milliarden Arbeitsstunden zu 61,1 Prozent von Männern erbracht, zudem 71,1 Prozent der Überstunden. Der durchschnittlich erwerbstätige Mann verbrachte also 1939 Stunden, die durchschnittlich erwerbstätige Frau 1420 Stunden mit Erwerbsarbeit – egal, wie gut oder schlecht, ungerecht oder gerecht entlohnt. Kollektivverträge für Männer und Frauen sind verbindlich gleich, der Rest ist Verhandlungssache. Doch Fakten haben noch keiner Legendenbildung geschadet.

Hat die Lohnschere mit dem früheren Pensionsantrittsalter zu tun? Daraus resultieren stattliche staatliche Transferleistungen von Männern zu Frauen, weil diesen die wichtigen Beitragsjahre (die höchsten im Beamtenleben) fehlen. Die unterschiedliche Lebenserwartung tut ein Übriges. Männer zollen ihrer Leistungsbereitschaft höheren Tribut, in Form von Verlust an Lebenszeit.

Und was sagt der Gesetzgeber anderswo, wo er schon weiter ist? „Affirmative Action“. Norwegen verpflichtete Unternehmen per Gesetz zu mindestens 40 Prozent Frauenanteil in Führungsgremien. Diese erzielten sodann um mehr als vier Prozent weniger Gewinn.

„Affirmative Action“ oder auch positive Diskriminierung versteht sich als Maßnahme, jede wirkliche oder gefühlte Benachteiligung einer Gruppe durch Vorteilsgewährung zu (über-)kompensieren. Das ist umstritten, da sie Unrecht mit Unrecht bekämpft. Denn jede Bevorzugung erfordert Benachteiligung. Es geht um Chancengleichheit, nicht Gleichstellung. Diese sollte am Anfang stehen – nicht das Ende, das Ergebnis, der Beginn sollte gleich sein.

Wo bleibt die Männerschutzlobby?

Es ist ungerecht, Gleiches ungleich zu behandeln. Ebenso ist es ein Fehler, Ungleiches gleich zu machen. Aber Mann und Frau sind ungleich, von Natur aus. Von der Anspruchsgeneration zur Angleichungsgesellschaft. Ausgleichen, angleichen – schön und gut. Aber Gleichmacherei? Doch die Zukunft wird rosa-rot-rosig: Deutlich mehr als die Hälfte der zukünftigen „Opfer“ macht bereits Matura und beginnt ein Studium. Der Rest sind Männer, eindeutig Bildungsverlierer. Doch halt! Hat man schon etwas von der Männerschutzlobby gehört? Fehlanzeige.

Dafür soll bei den Aufnahmetests an den Med-Unis nun eine leistungsnegierende Quote eingeführt werden, damit die Hälfte der Studienplätze an Frauen fällt. in der Judikative sind fast 80 Prozent der Neuanfänger weiblich. Und natürlich die vielen NGO-Ladies, die das Land definitiv verändern werden. Zu noch mehr Opferstilisierung, Eigenstigmatisierung, Legendenbildung und Märtyrerstatus?


E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zum Autor

Karl Weidinger (*1962) lebt als Schriftsteller in Wien und im Burgenland. Sein Anliegen ist die Gesellschaftskritik. Hauptwerke: „Der Missbrauch des aufrechten Ganges“ (1993), „Die Verhaftung der Dunkelheit wegen Einbruchs“ (2003), „Die schönsten Liebes-Lieder von Slipknot“ (2007), Androkles Verlag. [Privat]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2012)

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