Der wahre Tabubruch steht Schweden noch bevor

Schafft er den Sprung in die Regierung.
Schafft er den Sprung in die Regierung.REUTERS
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Die rechtspopulistischen Schwedendemokraten erzwingen ein Patt und damit langfristig auch einen Umbruch im politischen System. Fünf Optionen für die Regierungsbildung.

Italien, Österreich, Deutschland und jetzt Schweden. Noch drei Jahre danach fordert die Flüchtlingskrise ihren Tribut. Bei der Wahl am Sonntag rückte auch das schwedische Parlament nach rechts. Dieses politische Beben war vorhersehbar. Doch es fiel weniger heftig aus als erwartet. Die rechtspopulistischen Schwedendemokraten legten zwar von allen Parteien am meisten zu, blieben aber mit rund 18 Prozent etwas unter den Prognosen. Sie eroberten lediglich den dritten Platz hinter den Sozialdemokraten und den Konservativen. Erhofft hatten sich die Rechtsausleger von Jimmy Åkesson den zweiten Rang. Trotzdem sind sie im einstigen Vorzeigeland der Sozialdemokratie stark wie nie. Ihr Erfolg beruht auf genau einem, lange tabuisierten Thema: Migration. Nach der Flüchtlingswelle 2015 ließen sich Schwedens Probleme bei der Integration von Einwanderern nicht mehr leugnen.

So wie es am Morgen nach der Wahl aussieht, werden die Schwedendemokraten, die eindeutig braune Wurzeln haben, vorerst weiterhin von der Macht ferngehalten. Keine andere Partei will mit ihnen koalieren, auch nicht die Konservativen. Das stellte der Chef der Moderaten Sammlungspartei noch in der Wahlnacht klar.

Die Regierungsbildung wird dadurch nicht einfacher. Die Wahlen haben Schweden in ein Patt gestürzt. Keiner der beiden Blöcke hat eine Mehrheit: Weder Rot-Grün noch das bürgerliche Lager. Die Sozialdemokraten haben das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte erreicht, die Grünen haben gerade noch den Einzug in den Reichstag geschafft. Gemeinsam mit der Linkspartei bringen sie es gerade einmal auf 40 Prozent. Ungefähr gleich viele Mandate bringen die Moderaten, die übrigens noch stärker verloren haben als die regierenden Sozialdemokraten, gemeinsam mit der Zentrumspartei, den Liberalen und den Christdemokraten auf die Waage.

Fünf Optionen

Schweden hat nun fünf Optionen: Der sozialdemokratische Premier Löfven wird versuchen, die Zentrumspartei und die Liberalen aus dem bürgerlichen Block herauszubrechen und mit ihnen eine Regierung zu bilden. Das hat er allerdings schon vor vier Jahren vergeblich versucht. Möglich erscheint eine neuartige Koalition nur, wenn Löfven das Ministerpräsidentenamt räumt. Doch dieser Preis wird ihm vermutlich zu hoch sein.

Option zwei wäre, dass Schweden so weitermacht wie bisher: mit einer rot-grünen Minderheitsregierung. Doch die Bürgerlichen haben vor der Wahl klipp und klar gesagt, dass sie den Sozialdemokraten nicht mehr die Steigbügel halten.

Die dritte Variante wäre eine Mitte-Rechts-Koalition. Doch ein derart offener Bruch der bisherigen Koalitionsfestlegungen ist kaum vorstellbar. Ein Bündnis mit den Schwedendemokraten würde den bürgerlichen Block zerfetzen und die Kleinparteien des Zentrums erst recht in die Armen der Sozialdemokraten treiben.

Große Koalition unwahrscheinlich

Zumindest denkbar wäre viertens eine Große Koalition. Doch diese Konstellation gab es in Schweden bisher nur während des Krieges. Den Schwedendemokraten die Oppositionsführung zu überlassen, wäre ein sicheres Rezept, sie bei der nächsten Wahl weiter zu stärken und vermutlich zur Nummer eins zu machen. Von solch strategischer Blindheit werden die Sozialdemokraten und Konservativen in Schweden, anders als in Deutschland und zuvor in Österreich, wohl kaum geschlagen sein.

Bleibt Option fünf: Die Bürgerlichen bilden eine Minderheitsregierung. Die Mehrheitsbeschaffung fiele ihnen vermutlich leichter. Sie könnten, je nach Thema, die nötigen Stimmen im Parlament entweder im rot-grünen Spektrum organisieren oder gegebenenfalls doch auf die Unterstützung der Schwedendemokraten zurückgreifen.

Stabil erscheint derzeit keine Regierungsvariante. Schweden steuert auf unruhige Zeiten zu – und vielleicht auf baldige Neuwahlen. Die Rechtspopulisten reiben sich schon die Hände. 

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