Brexit und die Klugheit der Jugend

Michel Barnier stimmte einst für den britischen Beitritt.

Am Freitag ließ Michel Barnier, der Chefverhandler der EU in Sachen Brexit, aufhorchen: Das erste Mal, dass er nach Erreichen der Volljährigkeit wählte, war 1972 beim Referendum über die Erweiterung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (aus der die Union wurde) um das Vereinigte Königreich, Irland, Dänemark und Norwegen. Er habe mit Ja gestimmt, sagte Barnier zum Radiosender France Inter. „Und ich habe es nie bereut.“

Ein boshaftes Schicksal will es, dass dieser Mann, dessen Wählerstimme einst zum Beginn der britischen Teilnahme am europäischen Einigungswerk beigetragen hat, nun die Abwicklung dieser Beziehung organisieren muss. Wenn man diesem savoyischen Gentleman zuhört, wie er stets höflich, nie untergriffig, in der Sache aber grundfest, die Umstände und Abgründe des EU-Austritts der Briten darlegt, bekommt man ein Gefühl dafür, wie der Brexit auch ein Rückschlag für den vernunftgeleiteten, respektvollen und zivilisierten politischen Diskurs ist. Man führe sich zum Vergleich bloß die Scharlatanerie seiner größten Wortführer vor, die Herren Farage, Johnson und Rees-Mogg.

Doch das Rad der Geschichte wird sich weiterdrehen. Wer sagt, dass der Brexit unumkehrbar ist? Die 18- bis 24-Jährigen stimmten beim Brexit-Referendum vor zwei Jahren mit 71 zu 29 Prozent für den Verbleib in der EU. Eines Tages werden sie die Zügel von der Generation ihrer Altvorderen übernommen haben, die den Brexitunfall verschuldet haben. Wie pflegt Michel Barnier zu sagen? „Die Tür steht stets offen.“

oliver.grimm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2018)

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