Der grüne Oberbefehlshaber

Es ist so überraschend wie wohltuend, wenn man sehen kann, wo ideologische Ideale enden und pragmatische Weisheit beginnt.

Was Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Nationalfeiertag in einem Nebenabsatz gesagt hat, wird in der Feiertagslaune untergegangen sein, ist aber schon erstaunlich: Da mahnte er, ein Grüner, doch wirklich die Regierung, genug Geld fürs Bundesheer bereitzustellen, weil sonst bald „eine rote Linie überschritten" werde – bezüglich der Einsatzbereitschaft, was auch „das Leben der Soldaten und Soldatinnen" gefährde. Schon beim Nationalfeiertag 2017 hatte er übrigens so etwas gefordert - ja sogar mehr Geld für unsere Luftstreitkräfte.

Man stelle sich vor: Ein Grüner, genetisch also Pazifist, Waffenfeind, der Theorie nach Gewaltgegner, Alles-Ausdiskutierer, Unbedingt-friedliche-Lösungen-Suchender und so fort, setzt sich für eine bewaffnete, straff und mäßig demokratisch organisierte befehlshörige Organisation ein, von der Kurt Tucholsky einst schrieb, ihre Mitglieder seien „Mörder", und die noch immer von einem nicht geringen Teil der Österreicher und Österreicherinnen im Grunde mäßig geachtet wird, um es einmal diplomatisch auszudrücken. Aber nun, als laut Verfassung Oberbefehlshaber des Bundesheeres, diese jähe öffentliche Wandlung vom Abrüster zum – zumindest – Mehrausstatter des Militärs. Nicht schlecht.

Es ist so überraschend wie wohltuend, wenn man coram publico sehen kann, wo ideologische Ideale im realen Alltag enden und pragmatische Weisheit (auch jene der nicht mehr ganz Jungen) beginnt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2018)

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