Die Sozialisten exerzieren im ORF vor, wie mediale Machtpolitik funktioniert.
Seit Wochen befindet sich die ÖVP in der Zwickmühle. Das bürgerliche ORF-Wunschkonzert, bei dem RTL-Boss Gerhard Zeiler den Taktstock hätte schwingen sollen, musste angesichts der hartnäckigen Ablehnung der SPÖ abgesagt werden. Die Bemühungen der ÖVP, noch einen eigenen Kandidaten aufzutreiben, sind nicht zuletzt daran gescheitert: Wer keine Chance hat, wird nicht freiwillig vor den Vorhang treten.
Die SPÖ hat sich schon vor Wochen per Beschluss auf Wrabetz festgelegt – und exerziert vor, wie mediale Machtpolitik funktioniert: Widerstand in den eigenen Reihen wird nicht geduldet – auch jene SP-Stiftungsräte, die lieber Zeiler gewählt hätten, blieben stumm. Innerhalb der ÖVP ist das anders: Wrabetz wird am Dienstag vermutlich auch aus ihren Reihen Stimmen bekommen. Schon allein deswegen, weil die Verlängerung von Richard Grasl als kaufmännischem Direktor davon abhängt. Die SPÖ hat hinter den Kulissen klargemacht: Wenn alle ÖVP-Stiftungsräte Wrabetz die Unterstützung verweigern, ist Grasl aus dem Rennen. Und was, wenn die ÖVP eine 180-Grad-Volte aufs Parkett legt und Wrabetz einhellig unterstützt? Dann, so heißt es in SPÖ-Kreisen, werde sie sich „ein paar Posterl unter der Direktorenebene“ aussuchen. So wie die Grünen und das BZÖ.
Nicht, dass die ÖVP nicht gern mehr mitmischen würde – ihr bleibt nur keine Wahl. Und auch ihr Wunsch, Wrabetz möge doch eine politisch nicht zuzuordnende TV-Direktorin bestellen, hat wohl mehr als einen hehren Grund (die TV-Direktorin wird auch für die ORF-Information zuständig sein). Vielmehr läuft jeder noch so gute Kandidat in diesem Ressort mit ziemlicher Sicherheit ins offene Messer: Die ORF-Marktanteile werden in jedem Fall weiter sinken. Mit einer politisch unerfahrenen Kandidatin (z.B. aus dem Ausland) haben es die politischen Strippenzieher womöglich besonders leicht. Die Reihen darunter wurden ohnehin in den vergangenen Monaten weitgehend nachbesetzt – vornehmlich zur Zufriedenheit der SPÖ. Sie hat die ORF-Wahl längst gewonnen.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.08.2011)