Der Murks der ÖIAG bei Telekom und OMV lässt nur einen Schluss zu: Die Staatsholding hat schrecklich versagt und gehört ersatzlos aufgelöst.
Dead Man Walking an der Spitze des größten österreichischen Industriekonzerns: Die OMV wird jetzt mangels Entscheidungskompetenz ihres Aufsichtsrats fast ein Jahr lang von einem „General“ geführt, von dem jeder weiß, dass er ein striktes Ablaufdatum und im Übrigen nicht mehr wirklich viel zu reden hat. Diese jüngste unternehmensstrategische Meisterleistung der Staatsholding ÖIAG lässt eigentlich nur noch einen Schluss zu: sofortige Auflösung dieser seltsamen Beteiligungsholding, die nach ein paar erfolgreichen (aber schon lange zurückliegenden) Privatisierungen seit Langem nur noch Mist baut.
Claus Raidl hat einfach recht: „Diese ÖIAG“ braucht wirklich niemand. Auch seine Analyse stimmt: Die wahrscheinlich gut gemeinte (und von ihm selbst mitinitiierte) Entpolitisierung der Staatsholding durch die Installierung eines sich selbst erneuernden Aufsichtsrats ist gründlich danebengegangen. Ein Freundeskreis aus Industriellen und Topmanagern (Raidl nennt das „eine gewisse Gruppe“) hat sich solcherart das Kommando in den Staatsbetrieben gekrallt und kocht dort sein eigenes Süppchen.
Wie man nicht nur bei der OMV sieht, nicht unbedingt zum Wohle der von der Staatsholding verwalteten Unternehmen. „Aus Selbsterneuerung wurde Selbstbedienung“ – so hat es Raidl vor einiger Zeit in einem Interview beschrieben. Ein Überbleibsel aus jener schwarz-blauen Ära, deren prominente politische Vertreter heute noch für Vollauslastung der Korruptionsstaatsanwaltschaft sorgen.
Es ist schon faszinierend: Alle „selbst erneuernden“ Aufsichtsräte der ÖIAG sind im Hauptberuf höchst erfolgreiche Manager und Unternehmer. Sie hätten in ihren eigenen Unternehmen Durchstechereien wie etwa bei der in den Nullerjahren von zahlreichen Korruptionsaffären erschütterten Telekom keine Sekunde lang zugeschaut. Sie wären bei krassen Organisationspannen wie beispielsweise bei der entscheidenden Aufsichtsratssitzung in Sachen De-facto-Übergabe der Telekom an América Movil richtig fuchtig geworden, und sie würden in ihren Konzernbereichen einen Vorstand, den sie loswerden wollen, rasch und entschlossen absägen, statt ihn, wie bei der OMV, scheibchenweise über neun Monate auslaufen zu lassen.
Und bei der ÖIAG ist das alles okay und ganz normal? Offenbar haben wir es hier mit dem Phänomen zu tun, dass echtes unternehmerisches Handeln eigenes finanzielles Engagement samt der damit verbundenen Risikoübernahme voraussetzt. Und dass das alles einfach nicht funktioniert, wenn mit fremdem Geld ohne Eigentümerkontrolle und ohne echte Verantwortlichkeit hantiert wird.
So gesehen ist es also ziemlich egal, ob Staatsunternehmen von Parteiapparatschiks oder von Privaten „beaufsichtigt“ werden. Wesentlich ist, ob der Eigentümer (in dem Fall also der Staat) seine Rolle wirtschaftlich, politisch oder– wie seit der „Entpolitisierung“ im Jahr 2000 – gar nicht definiert. Was die ÖIAG jetzt liefert, hätte jedenfalls jeder Sektionschef im Finanzministerium deutlich besser hingekriegt.
Es ist also keine gute Idee, die ÖIAG zu „reformieren“, indem man aus dem Selbstbedienungsladen für die zitierte „gewisse Gruppe“ wieder, wie früher, eine geschützte Werkstätte für schwer vermittelbare Parteigünstlinge macht. Wenn ein Konzept gescheitert ist – und das der ÖIAG ist es ohne Zweifel –, dann muss man die Konsequenzen ziehen.
Entweder der Eigentümer Staat ist bereit und in der Lage, seiner Eigentümerverantwortung ordentlich nachzukommen. Dann gehören die verbliebenen Beteiligungen dem Finanzministerium zugeschlagen. Oder, besser, der Staat sieht ein, dass er kein Unternehmer ist und, weil politische Prioritäten nun einmal anders aussehen als wirtschaftliche, auch nie einer sein wird. Dann gehören die restlichen Anteile privatisiert (womit man, ganz nebenbei, auch noch eine Anschubfinanzierung für die anstehende Steuerreform bekäme). Aber einen von Topmanagern beaufsichtigten Murks wie bei Telekom und OMV wollen wir uns eigentlich nicht mehr ansehen.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2014)