Leitartikel: „Krone“-Koalition mit Sollbruchstelle

Werner Faymann muss sich vor mächtigen Landeschefs fürchten, Josef Pröll vor der Machttaktik seines Partners.

Eine „Krone“-Koalition mit schwarzem Drall und eingebautem Selbstzerstörungsmechanismus zugunsten der SPÖ: Auf diese Kurzformel lässt sich die neue Regierung bringen. Die nervenzerfetzende Personalentscheidung ist nicht dabei, auch wenn Richterin Claudia Bandion-Ortner eine Überraschung ist. Die einzige wirkliche. Sie (und ihre Brillensammlung) könnten einen gewissen Glamoureffekt in die Regierung bringen. Aber wie man dank Erwin Buchinger und Andrea Kdolsky ahnt, ist das ein gefährlicher Part. Immerhin weiß die Frau aber, worum es geht. Leider ist das ja nicht immer Voraussetzung für die Besetzung von Ministerposten.

Klar ist: Die Sozialpartner sind wieder dick da. Gleich zwei rote Gewerkschafter und ein schwarzer Wirtschaftskämmerer ziehen in wichtige Ministerien ein. Werner Faymann und Josef Pröll gehen da ganz andere Wege als Alfred Gusenbauer und seinerzeit Wolfgang Schüssel, die um klare Distanz bemüht waren. Nein, die Neuen stoßen niemanden vor den Kopf. Trotzdem kann man nur hoffen, dass der neue Kuschelkurs nicht auch in anderen Bereichen so desaströs endet wie bei der Gesundheitsreform, Gott hab sie selig: Sie wurde im vergangenen Jahr von den Sozialpartnern ausgehandelt und dann von den Parteien zerfleddert, bis nichts mehr übrig blieb. Nicht gerade eine Erfolgsgeschichte.

Auffällig ist, dass Westösterreich bei der Ministerbank völlig leer ausgegangen ist. Da könnte es nicht lange dauern, bis mächtige rote und schwarze Landeschefs gegen ihre fernen Bundesparteichefs zu poltern beginnen. Vor allem Werner Faymann muss sich fürchten: Franz Voves (Steiermark) und Gabi Burgstaller (Salzburg) neigen gelegentlich zu unfeiner Klinge. Josef Pröll ist zumindest an dieser Front eher ungefährdet: Herbert Sausgruber (Vorarlberg) und Günther Platter (Tirol) sind nicht für ihre Giftzähne bekannt. Und Hermann Schützenhöfer in der Steiermark sowie Josef Martinz in Kärnten haben selbst zu große Probleme, um in der Bundes-ÖVP als Schwergewichte durchzugehen.

Pröll hat andere Sorgen: Der Abgang von Ursula Plassnik zum Beispiel mag zu einem erleichterten Aufseufzen in manchen schwarzen Kreisen geführt haben. Dennoch wirkt sie wie ein Opfer, dargebracht auf dem Altar von Hans Dichand und Werner Faymann. Polemisch gesprochen hätte sie in den neuen Streichelzoo auch nicht so recht hineingepasst. Auf diesem Altar wurde übrigens auch SPÖ-Justizministerin Berger geopfert. Sie hätte sich stärkeren Opferschutz bei der medialen (Boulevard-)Berichterstattung gewünscht und steht der EU-Linie ihrer Partei distanziert gegenüber. Ein Zufall, dass sie gehen musste?

Beim ÖVP-Team ist erstaunlich, dass Pröll, der sich von seinen Vorgängern Schüssel und Molterer so radikal befreit hat, ein „Relikt“ aus dieser Zeit, Reinhold Lopatka, ausgerechnet als Staatssekretär in sein Finanzministerium holt. Dort braucht er einen Fachmann und unbedingten Gefolgsmann. Beides wurde dem „Schüsselianer“ Lopatka bisher eigentlich nicht nachgesagt.


Pröll hat harte Jahre vor sich: Das bürgerliche Spiel – „Wir hauen unseren Parteiobmann“ – hat längst begonnen. Sein Koalitionspartner könnte die mit Mühe gefundene EU-Formel als Sollbruchstelle für sich nutzen: Wird ein Partner im Parlament überstimmt, soll ja automatisch ein Neuwahlantrag der beiden Koalitionsparteien folgen. Im Falle einer nationalen Volksabstimmung zu einem EU-Vertrag ist es für SPÖ und „Krone“ ein Leichtes, mit dem Finger auf die ÖVP zu weisen und sie als „Blockierer“, der „gegen das Volk ist“, dastehen zu lassen. Man kann sich schon jetzt ungefähr ausmalen, wie eine Wahl danach ausgehen wird.

In Sachen Taktik und Medienbeziehungen ist Faymann seinem Vizekanzler um Nasenlängen voraus. Das hat er im schier unglaublichen Macht- und Beziehungsgeflecht des Wiener Rathauses gut gelernt. Logisch auch, dass er seinen engsten Vertrauten, Josef Ostermayer, zum persönlichen Staatssekretär macht. Die beiden sind seit Jahren ein Tandem, auf ihn kann er sich blind verlassen. Ebenso wie auf Doris Bures, die abseits des Finanzministers die dicksten Fördertöpfe der Regierung verwaltet.

Im Regierungsprogramm wie auch bei der Ministerzuteilung darf sich die ÖVP als Gewinner betrachten. Aber das war schon das letzte Mal der Fall und brachte der Volkspartei genau nichts. Warum sollte es diesmal anders sein? Aber vielleicht wird das ja die „Genug-gestritten-Sozialpartner-Regierung“, die fünf Jahre felsenfest hält. Ausgeschlossen ist es nicht.

Die neue Regierung Seiten 1–6


martina.salomon@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.11.2008)

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