Leitartikel

Ruhe geben

Schriftzug von Iris Andraschek
Schriftzug von Iris Andraschek (c) Florian Rainer
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Wenn wir uns nach zwei Jahren Wahlkampf etwas wünschen dürfen: weniger Aufregung, mehr Arbeit. Denn Wahlen zu gewinnen reicht für die Geschichtsbücher nicht.

Das politische Unterhaltungsprogramm war opulent, spannend, umfangreich und zeitkonsumierend. Es dauerte – nicht nur gefühlt – eine halbe Ewigkeit.

Genau zwei Jahre lang befand sich Österreich in einem Dauerwahlkampf. Fast ein Jahr lang brauchte es, einen Bundespräsidenten zu küren und richtig zu wählen. Dazwischen wurde der SPÖ-Chef ausgetauscht, nicht einmal ein Jahr später folgte der Abgang des ÖVP-Visavis. Mit Jahresbeginn und Christian Kerns PlanA startete die SPÖ-Kampagne anfangs durch. Es folgte Sebastian Kurz mit seinem zuletzt doch ziemlich erfolgreichen Kanzlerplan.

Der Wahlkampf hatte Züge eines griechischen Dramas – freilich mit wenigen Helden. Nach dem Wahlsonntag kamen lange Regierungsverhandlungen, die mit einem überraschend großkoalitionären Arbeitsprogramm von ÖVP und FPÖ endeten. Die Opposition tobt dennoch, als würde Wolfgang Schüssel gerade wieder mit Jörg Haider auf den Schultern ins Kanzleramt einziehen. Wobei: Dass Sebastian Kurz ins Bruno-Kreisky-Nuss-Büro einzieht – in Christian Kerns Miniära eine Art Instagram-Kulisse und SPÖ-Andachtsraum –, bringt die Genossen auch schön in Stimmung.

Ende der Spiele. Ja, Demokratie bedeutet auch harte Auseinandersetzung, Shows und Inszenierungen, aber es reicht nun. Danke. Ab Jänner 2018 hätten wir die politische Kaste endlich wieder dort, wo sie hingehört: bei der Arbeit. Zwei Jahre Geplänkel, strategische Spiele und nahezu tägliche TV-Konfrontationen reichen, jetzt darf ausnahmsweise etwas getan werden. Das bringt möglicherweise auch etwas völlig Ungewohntes: ein bisschen politische Langeweile. Anders formuliert: Die Weihnachtsferien könnten parteiübergreifend genutzt werden, um sich von der gewöhnten Daueraufregung zu verabschieden und endlich einmal ruhiger zu werden.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Das soll kein Blankoscheck für Türkis-Blau sein, die bei ihren Reformplänen noch einiges an Luft nach oben haben. Das soll auch kein Aufruf zur Streitvermeidung und Diskussionsverweigerung sein. Im Gegenteil: Nur harte inhaltliche Debatten mit klaren Entscheidungen können dazu führen, dass zumindest ein paar der unzähligen Reform- und Änderungsversprechen aus dem Wahlkampf aller Parteien gehalten werden. Und nein, Josef Moser wird nicht seine Hunderten gut klingenden Veränderungsideen umsetzen, aber ein paar zu beginnen, das wäre doch schön.

Weihnachtsbrief der Regierung. Kanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache haben uns am Freitag den traditionellen Weihnachtsbrief, der an alle Zeitungsredaktionen geht, geschickt – mit der Bitte, den Lesern dieser Zeitung Weihnachtswünsche auszurichten. Was ich hiermit tue.

Inhaltlich schreiben die beiden Herren: Das vergangene Jahr sei ein Jahr der Veränderung gewesen, nun würden sie harte Arbeit leisten wollen, um das Land wieder zurück an die Spitze zu bringen. Die Ausgangslage dafür wäre dank einer sehr positiven Konjunkturlage gut. Nach der Bescherung mit Pensionserhöhungen und Co. wäre es dann im Jänner wieder angebracht, auf Budget und Defizit zu achten. Laut Wirtschaftsforschern stehen uns noch zwei gute Jahre bevor, in denen es finanziellen Spielraum für strukturelle Veränderungen gebe.

Wenn diese Regierung sie nicht nutzt, bleibt eine große Chance für Österreich ungenutzt. Wenn diese Regierung auf Landtagswahlen und Umfragen schielt, wie so viele zuvor, dann ebenso.

Denn ganz egal, ob es sich nun um Kreiskys dunkles Zimmer oder die großen Fußstapfen des Wolfgang Schüssel handelt – beide haben bewiesen: Ins Geschichtsbuch kommt man nur, wenn man etwas machen und bewegen will. Wahlen gewinnen allein reicht nicht.

rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.12.2017)

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