Die SPÖ muss sich entscheiden, fast schon egal, wofür oder für wen

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Themenbild: Wahlplakate(c) APA/HERBERT PFARRHOFER
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Verloren und ziellos wirkt die größte Oppositionspartei. In wenigen Tagen entscheidet sich, wer in Wien künftig führt – das ist ein Anfang, nicht mehr.

SPÖ, ist da noch jemand? Natürlich, der durch schräge Plakate in Niederösterreich auffällig gewordene SPÖ-Frontmann Franz Schnabl hat sich am Sonntag in der ORF-Konfrontation der Spitzenkandidaten für die Landtagswahl rechtschaffen bemüht. Aber in einer Woche wird sich dort definitiv nicht das Schicksal der gesamten SPÖ entscheiden. Obwohl klar ist, dass ein Zurückfallen auf Platz drei hinter die FPÖ und/oder das Halten der absoluten Mandatsmehrheit durch Johanna Mikl-Leitners ÖVP – beides nicht völlig ausgeschlossen – die Situation für die SPÖ nicht gerade leichter macht.

Das gilt umso mehr, als ein derartiger Ausgang als Menetekel für die drei Landtagswahlen gesehen werden kann, die bis nach Ostern durchzustehen sind. Was definitiv sicher ist: Die Rest-SPÖ minus Niederösterreich steht in diesen Tagen mehr denn je völlig im Bann der Entscheidung in Wien. Der Beschluss der 1000 Delegierten des Parteitags am Samstag, wer auf Michael Häupl nach einem Vierteljahrhundert (!) als Chef der Wiener SPÖ folgt, wird und muss weitreichende Folgen haben.

Weshalb? Allein der lang, viel zu lang hinausgezögerte Abschied Häupls aus dem wohl mit Abstand weitläufigsten Büro eines Landeshauptmanns und Bürgermeisters hinterlässt eine Lücke in der gesamten Partei. Das eröffnet auch Chancen. Zwar wird die SPÖ auf das Know-how, das politische Gespür und die Wahlkampferprobtheit von einem ihrer letzten großen Routiniers zu verzichten haben. Aber damit ist für Bundesparteichef Christian Kern endlich der Weg eröffnet, frei(er) zu agieren.

Mit Ausnahme Hans Niessls im Burgenland – der ist mit dem rot-blauen Experiment ohnedies für ihn problematisch genug – hat der Ex-Bundeskanzler in seiner Partei keine schwergewichtigen Player mehr um sich, auf die er großartig Rücksicht nehmen müsste. Damit wird für Christian Kern auch die Zeit der Ausreden vorbei sein. Er kommt in die Ziehung. Ob er aus Fehlern seines ersten Amtsjahres lernt und sich die SPÖ ähnlich „herrichten“ wird, wie das Sebastian Kurz getan hat? Kaum, dafür fehlen dem Quereinsteiger dann doch Härte und, nicht zu unterschätzen, die Verbündeten in der Partei. Jedenfalls wird er die SPÖ inhaltlich fit und mit den neuen Erfordernissen einer Oppositionspartei kompatibel machen müssen. Zeit dafür wäre es langsam.

Dass soeben beim großen Nachbarn die Schwesterpartei SPD eine auch nicht gerade einfache Zeit durchmacht, ist für Christian Kern nicht einmal ein schwacher Trost. Die SPÖ muss nach einer Phase des Schocks, des, mag sein, Beleidigtseins auf den früheren Koalitionspartner, die eigenen (vermeintlichen) Mitstreiter, die Medien, die Wähler etc. nun Entscheidungen treffen. Dabei ist es angesichts der Desorientiertheit und der Unbestimmtheit, wofür die SPÖ jetzt genau steht, mittlerweile fast zweitrangig, für welche Position und für welche Person. Michael Ludwig, Favorit für den Chefposten der noch immer mitgliederstärksten Stadtpartei Europas, kann zugetraut werden, die SPÖ inhaltlich zu verbreitern und vorsichtig nach rechts zu rücken (wo, ob man es will oder nicht, der Zeitgeist weht). Andreas Schieder wäre zuzutrauen, der SPÖ ein dezidiert linkeres Profil zu verpassen.

Noch vor wenigen Jahren hätte risikolos gegolten: Es kann für die SPÖ nach dem Verlust des Kanzlers und den erbittert bis verbittert geführten Kämpfen um die Vorherrschaft im roten Wiener Flagship-Store nur noch aufwärtsgehen. In Zeiten erodierter Parteiloyalitäten und erhöhter Wahrscheinlichkeit, dass sich neue Gruppierungen abseits der bestehenden Parteien bilden, scheint jedoch höchste Vorsicht geboten. Erinnern wir uns kurz an das jämmerliche Ausscheiden der Kandidaten von SPÖ und ÖVP schon im ersten Anlauf, einen Bundespräsidenten zu finden, und an das Schicksal der Grünen im Parlament.

Keine Partei hat (mehr) einen Alleinvertretungsanspruch für bestimmte Gruppen oder einfach einzugrenzende Themen. Ja, selbst einer immerwährenden Bestandsgarantie sollte sich keine Partei so hundertprozentig sicher sein. Wie sagt man gern in Wien? Es sind auch schon Hausherren gestorben.

E-Mails an:dietmar.neuwirth@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.01.2018)

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