Donald Trump hat recht, dem Welthandel fehlt es zunehmend an Fairness. Aber er löst das Problem nicht, indem er einen Kollateralschaden verursacht.
Irgendwann wurde die Sache dann sogar richtig kindisch. Am Schluss erließ das US-Handelsministerium Strafzölle auf chinesische Büstenhalter. Das war vor knapp 15 Jahren. Im Weißen Haus saß ein gewisser George W. Bush. Und auch er hatte der amerikanischen Stahlindustrie versprochen, sie vor unfairer Konkurrenz zu schützen. Er verhängte also hohe Strafzölle – und löste damit eine surreale Kettenreaktion aus: bis hin zum amerikanischen Büstenhalter-Erlass.
Am Schluss musste Bush klein beigeben. Denn er merkte rasch, wie anfällig Amerika für gezielte Nadelstiche ist. Die EU musste nämlich gar nicht die große Keule auspacken – die sie ohnehin nicht besitzt. Es genügte etwa, die Einfuhr von Orangen und Orangensaft aus den USA zu verteuern. Damit traf man einen wichtigen Wirtschaftszweig Floridas. Dort war nicht nur ein gewisser Jeb Bush Gouverneur, Florida zählt auch seit jeher zu jenen US-Bundesstaaten, in denen Präsidentschaftswahlen entschieden werden, es ist ein sogenannter Swing State.
Und nichts anderes könnte nun passieren. Nachdem Donald Trump also Ernst machen und Stahl- und Aluminiumimporte mit Schutzzöllen belegen will, könnte Brüssel wieder ein paar Swing States ins Visier nehmen. Bleibt allerdings die Frage, ob Trump genauso rasch wie sein Vorgänger wieder einen Rückzieher machen wird. Und im eigenen Interesse sollte Brüssel nicht darauf warten. Trump hat – gelinde formuliert – ein anderes Naturell.
„Den Amerikanern geht es um Reziprozität“, sagte Axel Weber erst vor wenigen Tagen dieser Zeitung. Sie wollen lediglich, dass amerikanische Unternehmen dieselben Chancen auf den Exportmärkten finden wie Importeure in den USA. Das ist nicht der Fall. Donald Trump hat recht, wenn er die fehlende Fairness kritisiert. Vor allem China spielt hier ein sehr undurchsichtiges Spiel. Auf der einen Seite flutet es die Weltmärkte mit billigen, staatlich subventionierten Waren, auf der anderen Seite schottet es seinen Markt vehement ab. Wie formulierte es ein Ökonom? Sie erlauben ausländischen Unternehmen nicht, mit gleich langen Stäbchen zu essen. China ist – so meinen Beobachter – wohl auch der eigentliche Auslöser dieses aufkeimenden Wirtschaftskriegs.
Das Problem ist nur: Mit den Strafzöllen auf Stahl und Aluminium trifft Trump alle anderen – vor allem Kanada, die EU, Mexiko, Südkorea und Russland. Auch die Türkei. Aber China? Aus China kommen nicht einmal drei Prozent der US-Stahlimporte. Der Kollateralschaden ist enorm, die gewünschte Wirkung vermutlich minimal.
Die Weltwirtschaft funktioniert schließlich nicht wie ein simples „Monopoly“-Spiel. Sie ist äußerst komplex geworden, viel zu komplex, um Reziprozität mit Schutzzöllen wiederzuerlangen. Die Teile eines amerikanischen Autos kommen heute aus über hundert Ländern. Die Industrie funktioniert längst wie ein fein gewobenes Nervensystem. Wer hier mit Brachialgewalt hineinschlägt, zerstört Dinge, die er gar nicht zerstören will.
Zumal die Ursachen für den Niedergang der Stahlindustrie in Illinois, Indiana, Michigan oder Ohio – alles republikanisch dominierte Bundesstaaten – weder in China noch in Europa liegen. Die Misere im sogenannten Rust Belt entlang der großen Seen ist hausgemacht. Die US-Stahlindustrie hat den technologischen Anschluss vor vielen Jahren verloren. Die österreichische Voest ist nur deshalb auf dem US-Markt so erfolgreich unterwegs, weil sie dort Produkte anbietet, die US-Stahlkonzerne nicht zusammenbringen: Spezialweichen für Hochgeschwindigkeitszüge, Spezialstahl für die Autoindustrie.
Donald Trump hat mit seiner Ankündigung, Strafzölle einzuheben, eine neue Eskalationsstufe betreten. Tatsächlich geht es ihm um eine Neuordnung des Welthandels. Weg mit den bisherigen Handelsabkommen, hin zu bilateralen Verträgen, bei denen die USA den Ton angeben. Wie lang noch?
Zumindest so lang, bis China die USA als größte Wirtschaftsnation ablösen wird. Irgendwann einmal. Aber was juckt Trump ein „Irgendwann“?
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.03.2018)