Leitartikel

Wie die globalisierte Wirtschaft die Macht des Twitterkönigs begrenzt

US-Präsident Trump erklärt dem Rest der Welt mit der Ankündigung von Strafzöllen den Wirtschaftskrieg.
US-Präsident Trump erklärt dem Rest der Welt mit der Ankündigung von Strafzöllen den Wirtschaftskrieg.(c) REUTERS (Kevin Lamarque)
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Die Reaktion der Finanzmärkte auf Italien-Wahl und US-Protektionismus zeigt: Die globalisierte Weltwirtschaft emanzipiert sich zunehmend von der Politik.

Eigentlich war es ein ziemlich giftiger Cocktail, der in den vergangenen Tagen gemixt wurde: US-Präsident Trump erklärt dem Rest der Welt mit der Ankündigung von Strafzöllen den Wirtschaftskrieg, die EU reagiert darauf mit der Androhung von Gegenmaßnahmen und im wirtschaftlich ohnehin angeschlagenen Italien – immerhin die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone – kommen europafeindliche Rechtspopulisten samt der Juxpartei des Herrn Grillo an die Macht.

Sieht insgesamt verdammt gefährlich für Konjunktur und Finanzmärkte aus. Und was machen Letztere? Einen Freudensprung! Der deutsche Börsenleitindex DAX etwa, ein wichtiges Stimmungsbarometer für den Zustand der Eurozone insgesamt, hat sowohl am Tag nach der italienischen Wahl als auch am Tag der Ankündigung von EU-Gegenmaßnahmen gegen US-Zölle recht deutlich zugelegt.

Besser kann man den Machtverlust der Politik gegen eine international stark vernetzte, globalisierte Wirtschaft nicht mehr illustrieren. Die Botschaft ist klar: Politik kann regional und protektionistisch agieren, aber sie setzt sich damit entweder gegen die globale Wirtschaft nicht durch – oder sie riskiert Isolation und wirtschaftlichen Niedergang.

In Italien ist diese Erkenntnis keine große Überraschung: Dort, wo Regierungskrisen eher die Regel als die Ausnahme darstellen, sind Wirtschaft und Politik schon lang entkoppelt. Ein alter, statistisch durchaus belegbarer Kalauer sagt, dass die italienische Wirtschaft gerade in Zeiten, in denen die Politik anderweitig (etwa mit Neuwahlen oder Koalitionsbildungen) beschäftigt ist, am besten funktioniert. Tatsächlich hat das italienische Wirtschaftswachstum gerade in den vergangenen Monaten die Prognosen recht deutlich übertroffen. Das Problem Europas mit Italien liegt auch nicht so sehr in der irrlichternden Politik. Sondern in den faulen Krediten der Banken. Und daran hat sich in den vergangenen Tagen nichts geändert. Wozu also in Panik verfallen?

Relevanter ist da schon die Erfahrung des Herrn Trump, dass auch die mächtigste Wirtschaftsnation der Welt gegen die Kräfte der Globalisierung wenig ausrichten kann. Dort beginnt der „America first“-Protektionismus ja gerade ordentlich zu wackeln, weil die eigenen Leute dem Präsidenten zunehmend in den Rücken fallen. Republikaner sind eben überdurchschnittlich in internationalen Unternehmen engagiert. Und können dort Abschottung und Handelskrieg brauchen wie einen Kropf.

Die EU hat auf die Ankündigung von Zöllen auf Stahl und Aluminium zudem sehr gescheit reagiert. EU-Strafzölle auf Motorräder, Whiskey und Hausboote sehen auf den ersten Blick lächerlich aus – treffen aber die wichtigsten Exportprodukte der republikanischen Hochburgen Wisconsin (Harley-Davidson) sowie Kentucky und Tennessee (Bourbon). Und wenn Trump darauf mit Zöllen auf deutsche Autos reagiert – ja, dann wird es lustig. Die global aufgestellten Autokonzerne BMW, Mercedes und VW produzieren für den amerikanischen Markt nämlich sehr viel in Tennessee, South Carolina und Alabama. Sind das bestrafungswürdige deutsche Autos? Dann wackeln Tausende Arbeitsplätze in republikanisch dominierten Bundesstaaten. Sind das doch US-Cars, weil sie ja nicht importiert werden? Dann geht der Schuss in den Ofen.

Natürlich kann Trump, wenn er will, den totalen Wirtschaftskrieg anzetteln. Dann leidet eben die gesamte Weltwirtschaft – einschließlich der USA. Und für diesen Fall gibt es auch noch sechs Billionen Dollar an US-Staatsanleihen in asiatischer und europäischer Hand. Mit ihnen kann man, wenn es wirklich ohne Rücksicht auf Verluste hart auf hart geht, den amerikanischen Anleihemarkt und damit auch die US-Staatsfinanzierung recht ordentlich durcheinanderbringen.

Selbst die globale Führungsmacht hat also den „grip“ auf die globalisierte Wirtschaft verloren. Das kann man, etwa in Hinblick auf das Agieren weltweiter Monopole wie Google, Facebook etc. bedenklich finden. Aber man muss bis auf Weiteres damit leben. Im Fall der Protektionismusanfälle des Twitterkönigs aus dem Weißen Haus kann sich das sogar als Glück herausstellen.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2018)

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