Leitartikel

Die Koalition der Dilettanten ist zum Scheitern verurteilt

Italiens designierter Premier, Giuseppe Conte, ist für den Job nicht geeignet. Das soll er auch nicht sein: Professionalität ist nicht mehr gefragt.

Giuseppe Conte ist genau der richtige Mann für die neue Große Koalition der Populisten in Rom. Denn der Uni-Professor hat das professionelle Hauptkriterium von Lega und „Grillini“ für die Führung der drittgrößten Euro-Volkswirtschaft erfüllt: Er ist ein Dilettant – und damit ist gar nicht sein so schlecht aufpolierter Lebenslauf gemeint. Der Mann, der nun in Brüssel mit Kalibern wie Angela Merkel und Emmanuel Macron über Flüchtlingspolitik, Bankenunion und Defizitgrenzen streiten soll, hat bislang nicht einmal mit italienischen Lokalpolitikern verhandelt. Conte wird sich zudem schnell in EU-Dossiers einlesen müssen, denn damit hatte er bisher wenig zu tun – Spezialgebiet des Anwalts ist Privatrecht.

Krasse Unerfahrenheit ist jetzt eine Qualifikation. Denn als Dilettant ist man nicht „Kaste“, sondern „Volk“. Mangelnde Erfahrung und Professionalität gelten in der Welt der Antisystemrevolutionäre als Auszeichnungen, zeugen von weißen Westen. Inhalte zählen nicht, sondern die Wirkung und die Botschaften.

Conte ist also weder für diesen Job qualifiziert, noch soll er das sein: Auch wenn sich dieser Mann als überraschendes politisches Naturtalent entpuppen sollte, wird er seine Fähigkeiten schwer ausleben dürfen. Seine Rolle ist jene des nützlichen Idioten der „Grillini“: Nicht einmal das Regierungsprogramm durfte er mitverfassen. Conte soll in Brüssel oder beim Präsidenten den Staatsmann spielen, während die Fünf Sterne auf den Piazze und im Netz EU-Vereinbarungen den Stinkefinger zeigen.

Vorhang auf also für das Abenteuer der radikalsten populistischen Regierung in der EU: Der Dilettantismus ist nun ganz offiziell in die römischen Paläste eingezogen. In Rom regieren gleich zwei Parteien, die sich eine völlig planlose, aber dafür umso wortgewaltigere „Zerstörung des Systems“ auf die Fahne geschrieben haben: Denn ihr vages Programm ist voller politischer Fantasiespiele. Da wird den von Wirtschaftskrise und rasanter Verarmung gebeutelten Italienern das Blaue vom Himmel versprochen: ein Grundeinkommen, Steuererleichterungen, ein früherer Pensionsantritt. Da sollen Stahlfirmen geschlossen werden, die Hunderte Arbeitsplätze schaffen. Hunderttausende illegale Migranten will man gleich alle zusammen ausweisen. Die Vorschläge wirken angesichts der enormen Verschuldung, des lahmenden Wachstums des Landes und der krassen Infrastrukturmängel dermaßen absurd, dass wohl nicht einmal Lega und Cinque Stelle daran glauben.

Über Maßnahmen, die das Wachstum ankurbeln sollen, wird indes kein Wort verloren: Das allein sagt schon alles über zwei Parteien, die sich als Robin Hoods der Arbeitslosen präsentieren.


So wird dieser Traum der schönen neuen Antisystemwelt möglicherweise brüsk und schnell an der Realität abprallen. Vielleicht wird es wehtun wie im Jahr 2011: Damals musste sogar der mit allen Wassern gewaschene Premierminister, Silvio Berlusconi, dem Druck des Kapitalmarkts nachgeben, nachdem seine jahrelange Verschwendungspolitik Italien an den Rand des Staatsbankrotts gebracht hatte. Diesmal steht Rom unter noch strengerer Beobachtung der Märkte.

Oder aber Italiens Möchtegernrevolutionäre scheitern schon vorher an sich selbst, an unbeliebten Feilschereien und Kompromissen, mit denen sie sich jetzt die Hände schmutzig machen müssen: Im Senat hat die Regierungskoalition nur eine hauchdünne Mehrheit an Sitzen – und der politisch wieder voll rehabilitierte Berlusconi hat bereits seine Messer geschärft. Er will sich am Verrat des Expartners, der Lega, rächen. Dafür braucht er nur eine Handvoll Überläufer. Berlusconi hat eine erfolgreiche Karriere als „Einkäufer“ von Stimmen hinter sich.

Linksdemokrat Matteo Renzi freut sich indes süffisant auf das Spektakel: „Und jetzt: Popcorn für alle!“ Für Popcorn hat Renzi aber keine Zeit. Er sollte eher eine glaubwürdige Opposition zusammenflicken. Dass im März fast die Hälfte der Italiener radikale Kräfte gewählt hat, geht auch auf seine Rechnung: Die Regierungspartei war zuletzt vor allem damit beschäftigt, sich in aller Öffentlichkeit zu zerfleischen.

susanna.bastaroli@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.05.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.