Leitartikel

Ein U-Ausschuss – wo, wenn nicht hier?

BVT U-AUSSCHUSS: SITZUNGSSAAL
BVT U-AUSSCHUSS: SITZUNGSSAALAPA/HANS PUNZ
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Ist es ein FPÖ-Skandal? Ein FPÖ-Skandal und ein ÖVP-Skandal? Oder ein ÖVP-Skandal mit dilettantischer FPÖ-Beteiligung? Im Fall BVT tut Aufklärung not.

Selten war ein Untersuchungsausschuss in der jüngeren Vergangenheit derart angebracht wie nun jener rund um die Vorgänge im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT). Bei anderen U-Ausschüssen, etwa jenem zur Hypo-Alpe-Adria-Bank, wusste man schon vor dessen Beginn – mehr oder weniger – über das meiste Bescheid. Der Erkenntnisgewinn war also überschaubar.

Nun aber weiß man im Grunde genommen nicht viel. Also man kennt diverse Details und Abläufe. Aber die Hintergründe kann man nur erahnen.

Im Vordergrund steht das Vorgehen des von der FPÖ geführten Innenministeriums, das die ganze Sache mit Karacho hochgehen ließ. Und dies möglicherweise auch für eigene Zwecke nützen wollte.

Aber eines lässt sich jedenfalls sagen: Aus Jux und Tollerei hat das von der FPÖ geführte Innenministerium das nicht gemacht (die Tollerei kam dann später in der Ausführung hinzu).

Es gab im zuvor viele Jahre von der ÖVP geführten Innenministerium offensichtlich – nennen wir es einmal vorsichtig – bedenkliche Entwicklungen. Schon damals, lang vor den aktuellen Hausdurchsuchungen, wurde der schwarze Machtzirkel rund um den Innenministeriumskabinettschef und späteren Präsidialchef Michael Kloibmüller medial immer wieder thematisiert, der damalige Grünen-Aufdecker Peter Pilz verbiss sich regelrecht in ihn.

Später dann wurde berichtet, dass im BVT unter anderem – mutmaßlich – Daten eines SPÖ-nahen Anwalts nicht gelöscht worden sein sollen. Eventuell, um im Fall des Falles, wenn man es einmal braucht, etwas gegen ihn und/oder seine Partei in der Hand zu haben?

In all das reiht sich nun auch die jüngste Geschichte, die gestern via Austria Presse Agentur publik wurde: Ein Mitarbeiter des BVT hat private Daten von Regierungsmitgliedern und Staatsanwälten bei sich zu Hause gehortet. In einem Brief an den ehemaligen Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, Herbert Anderl, hat sich der Mann, der als ÖVP-nahe beschrieben wird, für „Vernetzungsarbeit“ angeboten.

Wörtlich heißt es in dem Brief des Cartellverband-Mitglieds an seinen „Bundesbruder“: „Ich will dich nicht nur über meine ,Existenz‘ im BVT informieren, sondern dir auch mitteilen, dass ich dir selbstverständlich jederzeit für authentische Informationen abseits der formellen Kanäle und ebenso für eine persönliche Vorstellung meiner Möglichkeiten [. . .] zur Verfügung stehe.“

Die Causa BVT war von Anfang an auch eine Informationsschlacht – Litigation-PR at its best könnte man sagen. Jede Seite, die Beschuldigten und ihre Anwälte auf der einen, das Innenministerium und die FPÖ auf der anderen, erzählte ihre Version der Geschichte. Was glauben? Wem trauen? Schwierig.

Die involvierten Behörden, die Ministerien für Inneres und Justiz, die Staatsanwaltschaft, die Exekutive in Gestalt der Einsatzgruppe für die Bekämpfung der Straßenkriminalität, haben sich jedenfalls nicht mit Ruhm bekleckert. So viel lässt sich derzeit relativ gefahrlos festhalten.

Dass Vertreter des Innenministeriums der Staatsanwaltschaft proaktiv Zeugen vorführen – und das alles auf Basis von Gerüchten, die ein ehemaliger Mitarbeiter in ein über weite Strecken zweifelhaftes Konvolut gepresst hat –, das war so noch nicht da. Jedenfalls nicht öffentlich bekannt.

Der Eifer, mit dem hier insbesondere der Generalsekretär des Innenministeriums, Peter Goldgruber, zu Werke ging, könnte durchaus auch persönlich begründet sein. Der Mann kommt aus jenem Apparat, den er nun dirigiert. Und dessen – echte oder vermeintliche – Auswüchse er jetzt bekämpft.

Es scheint also zu sein, wie es schon unter Schwarz-Blau I (und Schwarz-Orange) in der ersten Hälfte der Nullerjahre war: Mit der FPÖ in der Regierung bricht nicht der Faschismus aus, sondern nur der Dilettantismus.

Anfang September startet der Untersuchungsausschuss. Es wird spannend. So viel ist sicher.

E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2018)

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