Hartinger-Klein ist ein Problem für die FPÖ – und die Partei eines für sie

Die Sozialministerin strauchelt wegen ihrer ungeschickten Art und wird in der FPÖ zwischen Wirtschaftsflügel und „Partei des kleinen Mannes“ aufgerieben.

Wenn FPÖ-Sozialministerin Beate Hartinger-Klein einen Auftritt hat, freuen sich die Gegner von Türkis-Blau. Der Regierung wiederum wird angst und bange – noch bevor die Ministerin auch nur ein Wort gesagt hat.

Denn Hartinger-Klein hat die ihr zugewiesene Redezeit seit Amtsantritt zuverlässig genutzt, um zielgenau mit beiden Füßen in Fettnäpfchen zu springen. Zuletzt Ende vergangener Woche, als sie in einem Interview sagte, dass man von 150 Euro im Monat Mindestsicherung „sicher“ leben könne. Freilich, sofern man die Wohnung dazubekomme.

Diese Aussage war vorerst der Höhepunkt einer Reihe seltsam argumentierter, häufig widersprüchlicher – und inhaltlich auch gern halbrichtiger Aussagen der Ministerin. Die Opposition gab sich entrüstet. In den eigenen Reihen schlug man die Hände über dem Kopf zusammen und duckte sich schnell weg, schimpfte hinter vorgehaltener Hand, dass es die Ministerin wieder einmal vergeigt habe.

Hartinger-Klein ist längst eine Belastungsprobe dieser Regierung – und vor allem ein veritables Problem für die FPÖ. Umgekehrt ist allerdings auch die FPÖ selbst hauptverantwortlich für Hartinger-Kleins ungeschicktes Winden und Verstricken. Denn sie muss unter einen Hut bringen, was schwer unter einen Hut zu bringen ist: die beiden Flügel der FPÖ.


Die Partei hat einen erstarkenden wirtschaftsliberalen Flügel – der vor allem mit der Industriellenvereinigung und zunehmend mit der Wirtschaftskammer flirtet. Einer, der an diesem Image der FPÖ federführend bastelt, ist Oberösterreichs Landeshauptmannstellvertreter, Manfred Haimbuchner. Er bemüht sich im Industrieland seit Jahren, die FPÖ weg von der polternden Protestpartei hin zu einer liberalen Wirtschaftspartei zu positionieren. In die Mitte der Gesellschaft also – und das gelingt ihm zusehends. Diesem Flügel können die gebildete Parteielite und weite Teile der dominanten Burschenschafter zugerechnet werden.

Auf der anderen Seite steht der Flügel, der die „Partei des kleinen Mannes“ hochhält. Als prominentester Vertreter ist Innenminister Herbert Kickl zu nennen. Diese FPÖ versprach, sich für Arbeiter einzusetzen, für einen höheren Mindestlohn, bessere Pensionen. Schlicht: für jene Österreicher mehr herauszuschlagen, die wenig haben. Sozialpolitisch positioniert sich die FPÖ damit eindeutig links. Immerhin konnte sie sich so in den vergangenen Jahren erfolgreich an die Wählerklientel der SPÖ heranpirschen.


Es gibt kein Ressort, in dem diese beiden FPÖ-Welten so heftig wie im Sozialministerium aufeinanderprallen. Ausgerechnet im größten Ressort mit dem größten Budget muss Hartinger-Klein die größten Reformbrocken stemmen. Ein Drittel des Regierungsprogramms wird in ihrem Ministerium abgehandelt. Als hätte sie nicht genug zu erledigen, muss sie auch den innerparteilichen Spagat schaffen.

Wie soll etwa ein Arbeitszeitgesetz ausschauen, das alle zufriedenstellt? Die eine FPÖ will den Zwölf-Stunden-Tag, will, dass Überstunden billiger werden – der anderen FPÖ ist genau das ein Dorn im Auge. Was der kleine Mann davon hält, hat sich jedenfalls in Form einer Demonstration mit 100.000Teilnehmern gezeigt. Ihren Unmut luden FPÖ-Sympathisanten auch auf Straches Facebook-Seite ab.

Auch bei der Reform des Sozialversicherungssystems steht Hartinger-Klein zwischen den Fronten. Wie geht man mit einer AUVA um, die von Arbeitgebern gespeist wird und Arbeitnehmern zugutekommt, ohne eine Seite zu vergrämen? Was sagt man als FPÖ-Ministerin zu einer Mindestsicherung, einem Arbeitslosengeld neu? Für die Unternehmer soll es günstiger werden – das bedeutet aber am Ende des Tages auch weniger Leistungen. Und zwar für alle – und nicht nur für Migranten.

Bei allem politischen Ungeschick der Ministerin – mit einem Ressort wie diesem, gepaart mit einer innerparteilichen Konstellation wie dieser – ist das Unfallrisiko extrem hoch, und zwar egal, wer am Steuer sitzt.

E-Mails an: anna.thalhammer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.07.2018)

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