Reichshälften, nicht Proporz: Wie Türkis-Blau die Macht aufteilt

Sebastian Kurz besetzt Positionen konsequent nach einer Methode: viel Platz für die Freiheitlichen und viel Macht für seine Vertrauten.

Die viel zitierte Message-Control, der legitime, aber künstliche Versuch, Medien nur mit wohlvorbereiteten Themen zu versorgen und damit auch zu kontrollieren, funktioniert bei Personalentscheidungen der türkis-blauen Regierung am besten. Wenn auch ungewollt von und für beide Seiten. Denn die Personalentscheidungen sind zu einem großen Teil zwischen ÖVP und FPÖ vereinbart und ein gut gehütetes Geheimnis. Das Stillschweigen hält zumeist. Dass nicht nur Menschen mit Ambitionen auf den einen oder anderen längst ausverhandelten Job in der Zwischenzeit mit eigenen Gerüchten dafür sorgen, dass die Erwartungshaltung nicht mit den konkreten Plänen übereinstimmt, sorgt dann für perplexe Gesichter.

Man könnte es auch die Auflösung bestimmter Irrtümer nennen: Tatsächlich gibt es politische Beobachter, die Wirtschaftskammer-Chef Harald Mahrer als möglichen Widerpart zu Sebastian Kurz sehen. Dabei handelt es sich möglicherweise um kindliches Wunschdenken, die beiden Politik-Jünglinge sind eng abgestimmt. Dass Mahrer wie von ihm erhofft den Präsidentenjob in der Nationalbank bekommt, beweist dies. Der durchaus ernst zu nehmende Hinweis, dass die beiden Berufe eventuell unvereinbar beziehungsweise zeitlich nicht unter einen Hut zu bekommen sind, lässt sich aber ein wenig entkräften.

Bei allem Respekt vor dem klugen Claus Raidl: Tagesfüllend war und ist die Aufgabe des OeNB-Präsidenten nicht. In der Wirtschaftskammer sind übrigens nicht nur kleine Gewerbebetriebe, sondern auch Unternehmen wie Großbanken. Ein bisschen großes volkswirtschaftliches Denken wird der WKO-Zentrale auf der Wieden vielleicht ganz guttun. Harald Mahrer mit Sicherheit, seine Bitcoin-Party geht gerad zu Ende.

Bemerkenswert ist der Machtzuwachs für die FPÖ: Dass die Freiheitlichen, die noch vorgestern die absurd-lächerliche Rückkehr zum Schilling charmant fanden, nun den Gouverneur und heimischen Euro-Währungshüter stellen, kann zwei unterschiedliche Einschätzungen bedingen. Entweder ist es ein Zeichen für den Reifeprozess der Partei: In politischer Funktion kümmert einen das Wahlkampfgeschwätz von gestern nicht mehr – oder aber Wien wird für die Europäische Zentralbank in Frankfurt ein unsicherer Kantonist. Das wäre aber ein größeres Problem als die Kickl-Kavallerie oder die Zwölf-Stunden-Arbeitserlaubnis, die heimische Oppositionelle so erregt. Wollen wir also auf die erste Variante hoffen. Das Prinzip Hoffnung ist bekanntlich ein Leitmotiv in der Beurteilung der noch vergleichsweise jungen Regierung.

Und dann wären da noch interessante schwarze Männergeschichten in der jüngsten Personalentscheidungsrunde. Reinhold Mitterlehner ist in Sachen Freundschaft nun endgültig näher bei Christian Kern als bei Kurz. Der hatte ihm den Präsidentenjob zwar in Aussicht gestellt, ihn aber nie versprochen. Super-Ego Mitterlehner hatte dennoch Hoffnungen – damit sitzt einer mehr auf der riesigen Tribüne alter frustrierter ÖVP-Politiker. Zahlenmäßig geht sich da bald eine zornige Seniorenpartei aus.

Ein anderer wird dort nicht mitmachen: Othmar Karas wird wieder für seine unglückliche Liebe, die ÖVP, als EU-Spitzenkandidat antreten und wohl zur kalkulierten Verärgerung des einen oder anderen FPÖ-Politikers EU-Kommissar werden. Denn so wie Kurz der FPÖ große wichtige Bereiche wie das Innenressort oder die Infrastruktur mit der großen ÖBB überlässt, behält sich die ÖVP die völlige und alleinige Entscheidungsgewalt über die EU-Politik des Landes.

Doppelverantwortungen und damit ständige Gegenkontrolle sind die Sache von ÖVP und FPÖ nicht, sondern eine klare Machtaufteilung. Das kann man gefährlich und mutig finden. Solange es funktioniert, ist es einigermaßen transparent und klar. Sobald – siehe den Skandal um den Verfassungsschutz – ein maßgeblicher Proponent auf eigene Faust handelt und das noch bestehende Vertrauensprinzip der Regierung missachtet, kann es noch eng werden.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2018)

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