Es ist leider viel zu leicht, die Menschen bei der Gier zu packen

Beim mutmaßlichen Millionenbetrug Optioment wurden Finanzprodukte in einer Pyramidenstruktur vertrieben. Das sollte in Zukunft verhindert werden.

Post von einem Prinzen, wer wünscht sich das nicht? Seit den Anfangstagen des Internets gibt es solche E-Mails, in denen Millionen versprochen werden. Nichts müsse man dafür tun. Fast nichts. Nur die Anwaltskosten bezahlen. Aber was sind schon ein paar Tausender, wenn man sich Millionen erwarten kann? „Vorschussbetrug“ heißt das im Strafgesetzbuch. „Nigeria-Scam“ im Volksmund.

Bei neuen Technologien sind Betrüger nie weit. Sie besitzen den siebten Sinn für eine gute Gelegenheit, sie wissen um die Überzeugungskraft der Gier. Wenn in der Zeitung etwas von „Revolution“ steht, haben sie leichtes Spiel. So war das in den Anfangstagen des Internets. So ist es heute bei der Kryptowährung Bitcoin.

Es ist einfach verdammt hart, anderen dabei zuzusehen, wie sie reich werden. Niemand bleibt cool, wenn er erfährt, dass der Nachbar am Beginn der Dotcom-Blase die perfekte Wette platziert hat oder die Arbeitskollegin seit 2010 auf Hunderten Bitcoin sitzt. Genau hier haben die Erfinder von Optioment angesetzt.

Sie haben ihren Anlegern eine Zeitmaschine versprochen. Eine Gelegenheit, es wie der Nachbar oder die Arbeitskollegin zu tun. Und wie bei jedem Schneeballsystem, das etwas auf sich hält, gab es anfangs auch Auszahlungen. So war das bei Charles Ponzi, nach dem die Masche in den USA benannt wurde. Und bei Bernie Madoff, der die Wall Street jahrelang zum Narren halten konnte.

Wer in die Fänge der Betrüger geraten ist, wer sich von der Euphorie auf den Massenveranstaltungen, dem künstlichen Zeitdruck und den Psychotricks beeindrucken lässt, hat schon verloren. Ist das Geld einmal im System, kommen immer neue, unglaubliche Angebote. Aus zwei Prozent Rendite werden vier. Pro Woche.

Sind die Opfer von Optioment selbst mit schuld? Hätten sie skeptisch werden müssen? Ja, fraglos. Sie sind ein extremes Risiko eingegangen und haben verloren. Aber in diesem Fall waren es keine nigerianischen Prinzen, die sie verführt haben – sondern Bekannte, Freunde, Kollegen und Familienmitglieder. Optioment wurde nämlich per Multi-Level-Marketing vertrieben. Das ist per se zwar eine legale Methode, aber mit gutem Grund berüchtigt. So ein Vertrieb ist wie eine Pyramide aufgebaut. Wer weiter oben sitzt, verdient auch mehr. Ständig gibt es Druck, noch mehr Freunde, Verwandte und Kollegen dazuzuholen. Für die besonders aktiven Teilnehmer wird der Vertrieb zur Einnahmequelle, die fantastische Rendite zur Nebensache. So verbreitet sich ein gefährliches System wie Optioment rasend schnell.

Es ist verständlich, dass Bürger und Gesetzgeber da aufschrecken. Viele fragen sich, warum die Finanzmarktaufsicht nicht zuständig war für diesen Vertrieb von Finanzprodukten. Es ging ja bei Optioment nicht um Nahrungsergänzungsmittel oder Wundersäfte. Es ging immer nur um Geld.


Genauso ist es verständlich, dass viele das Problem in der neuen Technologie sehen. Bei Bitcoin selbst. Das gehört dazu. Bei E-Mail und Internet war die erste Reaktion ebenso: „Wozu brauchen wir das?“ Dann schlug die Skepsis in Euphorie um – keine 20 Jahre später ist das Internet allgegenwärtig.

Bitcoin ist auch so ein Netz. Nur dass statt beliebiger Daten Werte verschickt werden können. Mitmachen muss niemand. Aber verbieten kann man es auch nicht. Daran ist schon China gescheitert, und dort hat man weniger Skrupel bei der Einschränkung der persönlichen Freiheiten als in Europa. Außerdem besteht die Gefahr, den technischen Anschluss zu verpassen. Die Schweiz und Liechtenstein sind bei der Krypto-Regulierung voraus. Es ist positiv, dass auch die Regierung in Wien nun Chancen und Risiken abwägt und einen Weg sucht, Konsumenten zu schützen, ohne Innovation zu strangulieren.

Ein Vorschlag, um das nächste Optioment zu verhindern: Finanzprodukte, die eine Rendite versprechen, sollte niemand ohne Bewilligung und Aufsicht verkaufen dürfen. Wer etwas verspricht, soll dafür haftbar gemacht werden können. Egal, ob es dabei um Anleihen, Bitcoin oder Schwedenkronen geht.

E-Mails an: nikolaus.jilch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2018)

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