Herzlich willkommen im Einwanderungsland Österreich!

Man kann sich das Thema Migration natürlich wegwünschen – es wird nur nichts nützen. Und es ist auch besser so, dass darüber geredet wird.

Gut gemeint war auch hier wieder einmal das Gegenteil von gut. Realpolitisch hat sich Rudolf Anschober mit seinem Aktionismus ein Eigentor geschossen. Das Kind – um in bildlicher Sprache zu bleiben – mit dem Bade ausgeschüttet. Der oberösterreichische Grünen-Landesrat wollte unbedingt die Abschiebung von Lehrlingen, die kein Asyl erhalten haben, verhindern. Mit seiner medial groß inszenierten Forderung nach einem rechtsstaatswidrigen Akt – denn wer keinen positiven Asylbescheid hat, muss das Land wieder verlassen – ist er der Regierung dermaßen auf der Nase herumgetanzt, dass diese gleich die – an sich sinnvolle – Möglichkeit, dass Asylwerber eine Lehre beginnen können, abgeschafft hat. Diplomat wird Anschober keiner mehr.

Aber man kann es natürlich auch anders sehen: Anschober, der frühere ÖVP-Koalitionspartner, der sich im Land nun einer schwarz-blauen Regierung gegenübersieht, hat seine Zielgruppe ideal bedient. Die Regierung, indem sie Härte zeigt, ihre natürlich auch. Oder wie es der rote Realo Hans Peter Doskozil nennt: „Mit diesem Thema wird gespielt und polarisiert.“ Von beiden Seiten. In Wirklichkeit passiere etwas ganz anderes: Wer abgeschoben werde, könne über die Hintertür für Drittstaatsangehörige in nun erweiterten Mangelberufen – erst recht, wenn er hier schon eine Lehre begonnen hat – wieder herein.

Doskozil stellte gestern im sozialdemokratischen Parteivorstand mit seinem Gegenüber vom linken Flügel, Peter Kaiser, das lang erwartete Konzept der SPÖ zu Asyl und Migration vor. Der Kern des Ganzen: Integration vor Neuzuzug. Man darf gespannt sein, ob diesen Absichtserklärungen auch Taten folgen werden. Wobei es mit den Taten freilich ein wenig schwierig ist, da die SPÖ nicht in der Regierung sitzt. Es würde also schon reichen, wenn sich die Parteiführung nachhaltig zu diesen Punkten bekannte, und nicht, wenn es gilt, der Regierung eins auszuwischen oder linken Kritikern entgegenzukommen, davon augenzwinkernd wieder abrückt. Mit diesem Flipflopper-Kurs hat die SPÖ in der jüngeren Vergangenheit keine allzu großen Erfolge gefeiert.

Möglicherweise hat man das mittlerweile auch in der Stadt Wien verstanden. Die Lehrerin und Buchautorin Susanne Wiesinger – und vor allem das, was sie vorbringt – wird nun ernst genommen. Jedenfalls wird nach außen hin dieser Eindruck vermittelt. Und das ist ja schon einmal etwas, nach all den Jahren, in denen jemand, der auf Probleme mit der Migration, insbesondere mit dem Islam, aufmerksam machte, eher damit rechnen musste, ins rechte Eck gestellt zu werden, selbst wenn er Sozialdemokrat war.

Zwei Millionen der in Österreich Lebenden haben laut dem Integrationsbericht 2018 Migrationshintergrund. Wien, wo der Anteil noch wesentlich höher ist, wurde nicht extra ausgewiesen. Österreich ist – let's face it – ein Einwanderungsland. Und das Thema Migration geht auch nicht weg. Auch nicht, wenn man die Augen zumacht. Oder sich das ganz fest wünscht wie der Bundespräsident. Die Migrationsfrage sei nicht die größte Herausforderung, sagte er in Alpbach unter großem Applaus.

Das Thema Migration wird dann keines mehr sein, wenn damit einhergehende Probleme gelöst sind. Oder die Bevölkerung zumindest dieses Gefühl hat. Und da gibt es im Integrationsbericht durchaus positive Ansätze: Sowohl die Einheimischen als auch die Zuwanderer haben das Gefühl, dass es mit der Integration besser geworden sei.

Nennenswerte Probleme mit Zuwanderern aus Süd-/Osteuropa sind auch nicht wirklich bekannt. Nennenswerte Probleme mit säkularen Muslimen übrigens auch nicht. Die Trennlinie ist eine religiöse: Jenseits dieser Linie stehen jene, denen ihre religiösen Gebote wichtiger sind als die staatlichen, die in ihrer Lebensweise nicht in einem liberalen Staat westlicher Prägung angekommen sind. Diese Menschen zu erreichen und herüberzuziehen wäre die Idealvariante. Solang das nicht gelingt, wird das Thema Migration ein Thema bleiben. Das Thema.

E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.09.2018)

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