Am Sonntag hätten die Weichen dafür gestellt werden können, den sinnlosen Namensstreit mit Athen rasch beizulegen. Doch das wird nun schwierig.
Es hätte den Anfang vom Ende des langjährigen leidigen Namensstreits markieren sollen. Ein deutliches Votum der Bevölkerung für die neue Landesbezeichnung „Republik Nordmazedonien“ hätte die mazedonische Regierung bei ihrem nächsten Schritt gestärkt: der Suche nach einer Zweidrittelmehrheit für den Kompromiss im Parlament. Doch daraus ist nichts geworden. Zwar ging das Referendum am Sonntag mit einem ganz klaren Ja aus. Doch es ist nicht gültig, denn weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten gab ihre Stimme ab.
Auch wenn Politiker in der EU das Ergebnis schönzureden versuchen: Eine klare Unterstützung für den Kurs der mazedonischen Regierung in der Namensfrage sieht anders aus. Premier Zoran Zaev ist geschwächt. Die Hoffnung auf eine rasche Lösung des Konflikts mit Griechenland könnte sich erneut zerschlagen.
Der Streit zwischen Skopje und Athen blockiert nicht nur seit vielen Jahren Mazedoniens Weg in die EU und die Nato. Er ist eine weitere Wunde für eine Region, die in den vergangenen Jahrzehnten ohnehin durch Kriege und Krisen schwer verletzt worden ist – und letzten Endes ein völlig unnötiger Konflikt.
1991 wurde die jugoslawische Teilrepublik Mazedonien unabhängig. Damit gingen die Probleme los: Denn Griechenland weigert sich seither beharrlich, Republik Mazedonien als den Namen des neu gegründeten Staates anzuerkennen. Die Begründung Athens: Der kleine Nachbar im Norden könnte Gebietsansprüche stellen und außerdem den Griechen den Anspruch auf die antike makedonische Geschichte streitig machen.
Am Ende des 20. Jahrhunderts einen Streit um das Erbe von Philipp von Makedonien und Alexander dem Großen vom Zaun zu brechen, wirkte bizarr. Die meisten in Mazedonien lebenden Menschen sprechen mit Mazedonisch eine südslawische Sprache; die zweitgrößte Volksgruppe im Land spricht Albanisch. Das wären für Skopje gute Gegenargumente gewesen, um die Befürchtungen der Griechen zu zerstreuen. Anfangs wurde das auch versucht. Doch in den 2000er-Jahren stieg die rechte mazedonische Regierung voll auf den Geschichtsdisput ein. Der Flughafen der Hauptstadt hieß nun „Alexander der Große“. Im Zentrum Skopjes wurde ein gewaltiges Reiterstandbild des antiken Helden errichtet. Die griechische Seite bezeichnete das als Provokation.
All das könnten Mazedonien und Griechenland nun endgültig hinter sich lassen. Die innenpolitische Konstellation in beiden Ländern hat dafür zuletzt auch günstig gewirkt. Sowohl in Skopje als auch in Athen sind linke Regierungen an der Macht, denen es leichter fällt, über den jeweiligen nationalistischen Schatten zu springen. Doch dieses Gelegenheitsfenster könnte sich auch wieder schließen – vor allem in Mazedonien, wo nun unklar ist, wie sich die politische Situation weiterentwickelt.
Sollte Premier Zaev mit seinem Projekt endgültig scheitern, stehen Neuwahlen ins Haus. Und wie diese genau ausgehen, kann man vorher nie mit Sicherheit sagen. Vielleicht schafft es auch Zaev doch noch irgendwie, unter den Parlamentsabgeordneten eine Zweidrittelmehrheit für den Namenskompromiss zusammenzubekommen. Dann werden die Gegner davon aber in Hinkunft immer wieder darauf pochen können, dass es wegen des ungültigen Referendums dafür keine klare Zustimmung der Bevölkerung gegeben habe. Für Mazedonien ist die missglückte Abstimmung vom Sonntag jedenfalls eine vergebene Chance, den Streit mit Athen rasch zu beenden.
Auch die Vertreter der Europäischen Union müssen damit einen Rückschlag einstecken. Eigentlich war Mazedonien lang eine der Erfolgsgeschichten der EU auf dem Balkan. Europäische Diplomaten vermittelten 2001 ein Friedensabkommen, das einen Aufstand albanischer Kämpfer beendete. Im Gegensatz zu anderen ex-jugoslawischen Staaten blieb Mazedonien ein großer Krieg erspart. Doch auf dem Weg in die EU blieb das Land stecken. Nun würde sich eine Möglichkeit auftun, endlich wieder vorwärtszuschreiten. Doch ob sie auch genutzt werden kann, ist nun mehr als unsicher.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2018)