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Das ist doch eine Trennung, von der keine Seite etwas hat. Es ist die Auflösung einer Partnerschaft, die weit besser funktioniert hat, als es derzeit dargestellt wird.
Das ist doch eine Trennung, von der keine Seite etwas hat. Es ist die Auflösung einer Partnerschaft, die weit besser funktioniert hat, als es derzeit dargestellt wird.(c) REUTERS (TOLGA AKMEN)
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Zahlen und Argumente haben keine Abkehr der britischen Regierung vom Brexit gebracht. Versuchen wir es also mit Emotionen.

Zuerst haben es die Fachleute in Brüssel vorgerechnet, dann hat es die britische Regierung mit ihren eigenen Experten nachgerechnet: Der Brexit wird für die britische Wirtschaft, für die Bürger keine Vorteile bringen. Der künftige Handel mit dem Rest der EU wird je nach Ergebnis der Abstimmung im Unterhaus mehr oder weniger eingeschränkt bleiben. Das Wachstum wird folglich einbrechen. In einer globalisierten Welt hat ein Land wie Großbritannien mit einer nicht besonders diversifizierten Wirtschaftsstruktur im Alleingang keine rosige Zukunft. Es müsste sich mit der Abwanderung von Unternehmen und Arbeitsplätzen abfinden.

Die britische Regierung will es dennoch versuchen. Premierministerin Theresa May möchte die Kampfabstimmung für den ausgehandelten Austrittsvertrag im Unterhaus gewinnen. Und einigen ihrer Gegner scheint es gleichgültig zu sein, dass sie in diesem innenpolitischen Machtkampf sogar einen ungeordneten EU-Austritt mit noch deutlich negativeren Folgen riskieren. Mit sachlichen Argumenten hat das alles nichts mehr zu tun. Schon in der Vergangenheit propagierten britische Politiker die Rückkehr zur allumfassenden Souveränität, auch wenn sich diese längst als Illusion entlarvt hatte.

Also versuchen es auch wir, die wir Großbritannien vor diesem Fehler bewahren wollen, mit Emotionen: Das ist doch eine Trennung, von der keine Seite etwas hat. Es ist die Auflösung einer Partnerschaft, die weit besser funktioniert hat, als es derzeit dargestellt wird. Das Vereinigte Königreich war zweifellos von Beginn an ein schwieriges EU-Mitglied, aber es wurde in Brüssel stets mit Respekt behandelt. Seine Sonderwünsche wurden immer wieder berücksichtigt. Es war vor allem ein wertvolles Mitglied, weil es aus seiner Tradition heraus eine Offenheit in gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fragen eingebracht hat.

Immer wieder wurde in dieser Brexit-Debatte behauptet, dass die Briten auf einer Insel lebten und kein Teil des Kontinents seien. Das ist kulturell wie historisch Unsinn. Die britische Kultur hat in großem Maß die europäische Kultur mitgeprägt. Und rein geologisch gesehen wurde Großbritannien erst vor etwa 12.000 Jahren in der Nacheiszeit vom Kontinent getrennt. Welthistorisch ist das ein Klacks. Der Ärmelkanal ist heute verkehrstechnisch zwar noch nicht überbrückt, aber immerhin untertunnelt.

Ohne dieses Land ist die EU schwächer. Die Balance zwischen den unterschiedlich großen Ländern wäre gestört. Deutschland und Frankreich dominierten noch mehr. Osteuropäische Länder, die sich derzeit diskriminiert fühlen, verlören mit Großbritannien einen wichtigen Verbündeten. Und auch die politische Kooperation mit den USA, die von London aus über Jahrzehnte gehegt und gepflegt wurde, droht endgültig aufgelöst zu werden.


Es ist Zeit, über eine Alternative nachzudenken: ein neues Referendum, bei dem das Volk und nicht das innenpolitische Machtkalkül über diese Trennung entscheidet. Die Bürger sollen darüber befinden, ob dieser Austritt unter den nun vereinbarten Bedingungen für Großbritannien der bessere Weg ist oder doch ein Verbleib in der Europäischen Union. Dem Argument, dass eine solche neuerliche Volksabstimmung demokratiepolitisch problematisch wäre, ist entgegenzuhalten, dass erst jetzt die exakten Bedingungen und Konsequenzen bekannt sind. Und es ist zu entgegnen, dass es sowieso bereits die dritte Abstimmung zu demselben Thema wäre. Denn bereits 1975 haben sich die Briten in einer Volksabstimmung entschieden, in der damaligen EWG zu bleiben. Beim neuerlichen Anlauf 2016 hat das niemanden gestört. Warum also jetzt?

Kommt dieses Referendum zustande, müssten wir alle für eine weitere Partnerschaft werben: Denn wir lieben doch die höfliche Art der Briten, die sich anstellen können und sich bei jeder Gelegenheit entschuldigen. Wir lieben ihre Sprache, ihre Musik, ihren Geist und ihre Kreativität. Und vergessen wir nicht ihren Humor, der für die ernsthaften Deutschen und viele ihrer Gleichgesinnten in Europa ein bedeutsames Korrektiv ist. Bleibt doch bei uns!

E-Mails an:wolfgang.boehm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2018)

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