Die bi- und multilateralen Probleme der Welt und der EU nehmen leider nicht ab, Österreichs Außenpolitik könnte da ernsthafter vermitteln.
Die Politik wird unübersichtlicher, ihre Akteure werden sprunghafter. Euphemistisch oder besserwisserisch nennt man das Fragmentierung. Das geht von Washington über Wien bis Tokio und hat nur sehr bedingt mit dem gerade auf dieser Reiseroute fliegenden Kanzler Sebastian Kurz zu tun. Beginnen wir mit seiner letzten Staatsbesuchsdestination, Japan: Dem Land sagte man einst den wirtschaftspolitischen Siegeszug und ökonomische Hegemonie voraus. Daraus wurde nichts, wirtschaftliche Stagnation und eine massive Überalterung der Bevölkerung machten aus dem Superstar einen Krisenkandidaten. Beides könnte China ebenfalls widerfahren, die Auswirkungen für die Weltwirtschaft wären wenig erfreulich.
Der Besuch von Kurz bei Japans rechtsliberalem Premier, Shinzō Abe, dem man schon vor Jahren Rechtspopulismus unterstellte, markiert eine neue Kooperation zwischen der EU und Japan. Die Union und das jahrhundertelang abgeschottete Land schließen ein gewaltiges Freihandelsabkommen ab, das mehr als bemerkenswert ist: Es stellt quasi den Gegenpol zu zwei (bis drei) Wirtschaftsregimen dar, die Freihandel nur erlauben, wenn er dem eigenen Wirtschaftsimperalismus hilft: nämlich den USA und China (und, derzeit dazu nicht entschlossen, weil dazu nicht in der Lage: Russland). Zweitens wäre da innereuropäische und -österreichische Sprunghaftigkeit: Noch vor wenigen Monaten machten Populisten und Sozial-Protektionisten massiv gegen das Freihandelsabkommen mit Kanada Stimmung. (Dieses war zugegebenermaßen auch rechtlich nicht gerade ideal.) Dank Donald Trump und seines wirtschaftspolitischen Chauvinismus sehen das die TTIP-Gegner heute vielleicht anders, aber das würde die Gabe der Selbstreflexion voraussetzen.
Nächste Woche hat Sebastian Kurz bei seinem 15-Minutes-of-Fame-Gespräch mit Trump die Möglichkeit, dieses zentrale Thema anzusprechen: Ein Handelskrieg mit Europa, wie ihn Angela Merkel am Samstag bei der Münchner Sicherheitskonferenz wegen der deutschen Autoexporte laut fürchtete, wäre keine vertrauensbildende Maßnahme für die ohnehin schlechte transatlantische Beziehung, sondern eine Katastrophe für die wirtschaftsliberale Welt. Vermutlich würde das nur jener Richtung helfen, die Österreichs Außenministerin vortanzt und -knickst: der nach Moskau. Auch das ist ein neues Phänomen: Trump lädt Kurz ein, Kneissl Putin, der weltpolitische Hauch weht noch nicht. Und liebe Karin Kneissl, über abgesagte Rücktritte spricht man nicht. Entweder zurücktreten oder schweigen.
Völlig unverständlich und gemeingefährlich ist eine Entwicklung zwischen Frankreich und Italien. Erstmals nach 1940 hat Frankreich den Botschafter abgezogen, da die italienische Mitte-sehr-rechts-links-Regierung Emmanuel Macron attackiert und die Gelbwesten unterstützt. Diese sind übrigens weniger harmlos als in den Medien dargestellt. Nur weil aggressive, gewalttätige Demonstranten wirklich arm sind, sind sie nicht weniger aggressiv und gewalttätig. Vielleicht könnten Kneissl und Kurz in diesem Konflikt vermitteln, sie in Rom, er in Paris, das würde der Übersichtlichkeit helfen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2019)