Heinz-Christian Strache in der Falle ohne Ausweg

Was wie ein Video aus FPÖ-Produktion anmutet, entpuppt sich als Alptraum. Für den Vizekanzler, die Regierung, die Republik. Strache wird gehen müssen.

Der deutsche Brachialkomiker Jan Böhmermann meinte im April in einer Videobotschaft aus Anlass der „Romy“-Preisverleihung: Er hänge gerade „ziemlich zugekokst und Red-Bull-betankt mit ein paar FPÖ-Geschäftsfreunden in einer russischen Oligarchenvilla auf Ibiza“ herum und verhandle über die Übernahme der „Kronen Zeitung“. Was damals absurd klang, hat sich nun als Alptraum herausgestellt: Für den Vizekanzler. Für die Regierung. Für die Republik Österreich.

Auf den ersten Eindruck mutet das Video, das der „Spiegel“ und die „Süddeutsche Zeitung“ gestern veröffentlichten, an wie eines jener Videos, mit denen die FPÖ wie schon bei der Nationalratswahl nun auch bei der EU-Wahl augenzwinkernd um Wähler wirbt. Aber es ist nicht ironisch. Es ist jetzt leider ernst.

Nun kann man die Frage aufwerfen, wie Jan Böhmermann auf die Idee kam, dass auf Ibiza in einer Oligarchenvilla über die „Kronen Zeitung“ verhandelt wird – nie war das öffentlich ein Thema. Oder warum das vor der Nationalratswahl aufgenommene Video nicht vor der Nationalratswahl den beiden deutschen Medien zugespielt wurde, sondern erst jetzt vor der EU-Wahl? Aber all diese Fragen sind nebensächlich.

Die relevante Frage ist: Ist Heinz-Christian Strache als Vizekanzler noch tragbar? Für ihn spricht, dass er in dem Gespräch mit der vermeintlichen russischen Oligarchentochter mehrfach betonte, nichts Illegales tun zu wollen. Das war es dann aber schon. Denn was Strache sonst von sich gibt, macht ein Weiterwirken als Vizekanzler kaum möglich. Er erklärt der falschen Sponsorin, dass sie ihr Geld, das sie der FPÖ zu überweisen gedenke, am Rechnungshof vorbei spielen könne und nicht direkt auf das Konto der Partei einzahlen solle, sondern an einen Verein. So wie es auch andere namhafte Unternehmen machen würden. Auch diese hat Strache nun in die Sache mit hineingezogen bzw. diese werden sich selbst für solch für möglich gehaltene Praktiken ihrerseits rechtfertigen müssen.

Strafrechtlich relevant wäre dann jedenfalls ein anderer Punkt: Strache deutet an, Staatsaufträge mit „Überpreis“ – also zu Lasten des Steuerzahlers – vergeben zu können. Im Falle des Falles.

Nun geht es um seinen eigenen Fall. Die Regierung erlebt in diesen Stunden die schwerste Krise seit ihrer Angelobung. So wie bisher wird es nicht weitergehen. Kann es auch nicht. Die Ereignisse, die am Freitag um 18 Uhr ihren Ausgang nehmen – und für die Regierungsmitglieder, auch die türkisen, schon früher –, stellen eine Zäsur da.

So gesehen könnte die Absetzbewegung der ÖVP von der FPÖ in den vergangenen Wochen und das offensive Buhlen um deren Wähler zuletzt mit der für den Bundeskanzler ungewohnt harschen Kritik an Brüssel, nicht von ungefähr gekommen sein. Möglicherweise wusste Sebastian Kurz schon, dass da etwas auf ihn zurollen würde.

Diese Zäsur kann nun mehrere Folgen haben: den Rücktritt des Vizekanzlers und dessen Ersatz durch einen anderen Freiheitlichen. Norbert Hofer beispielsweise. Das würde die Sache aber nur geringfügig besser machen. Denn die Methoden Straches sind letztlich auch die Methoden der FPÖ. Und Hofer müsste sich auch fragen lassen, ob er von diesen Praktiken nichts wusste. Er wäre ja als Infrastrukturminister dann theoretisch für die Abwicklung des „Gegengeschäfts“ verantwortlich gewesen.

Die beiden Hauptdarsteller auf dem Video, Heinz-Christian Strache und Klubchef Johann Gudenus, werden jedenfalls nicht sagen können, sie wussten von nichts. Wie sie nach derzeitigem Stand aus der Sache herauskommen sollen, ist unklar. Das Bekenntnis, nichts Illegales vorgehabt haben zu wollen, gleichzeitig aber alle möglichen Schlupflöcher anzudeuten, wird zu wenig sein.

Nein, nach derzeitigem Stand, werden sie aus dieser Falle, die ihnen gestellt wurde, die aber ihre Absichten und Angewohnheiten offen zu Tage treten ließen, nicht mehr herauskommen.

Seit Freitag, 18 Uhr, ist die Koalition in ihrer bisherigen Form zu Ende. Es kommt ein neuer Vizekanzler. Ein neuer Koalitionspartner. Oder Neuwahlen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.05.2019)

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