Sollen sie doch Fiaker fahren, wenn ihnen das Taxi nicht passt!

Das „Lex Uber“ zeigt, woran es bei der Wirtschaftspolitik in Österreich hakt: Wir behindern Innovation und wundern uns dann, wenn wir zurückfallen.

Geht's der Wirtschaft gut, geht's uns allen gut“. Christoph Leitl hat das plakatieren lassen, als er noch Chef der Wirtschaftskammer war. Die Aussage ist vollkommen richtig – und doch wird sie gern als Zynismus dargestellt, als kalte Propaganda von denen, die „die Wirtschaft“ über alles andere stellen. Der Spruch öffnet diese Tür, weil er „die Wirtschaft“ abgrenzt vom Drumherum, von den Menschen, die mal Arbeitnehmer, mal Arbeitgeber, mal Konsumenten sind. „Geht's uns allen gut, geht's uns allen gut“, hätte auf den Plakaten eigentlich stehen müssen. Aber wer soll das verstehen?

Rund elf Jahre später grenzt die Kammer sich wieder ab und zieht einen Strich zwischen der alten Wirtschaft und der neuen. Zwischen Österreich und der Welt. Zwischen analog und digital. „Die zahlreichen Gespräche und Verhandlungen im Hintergrund haben sich bezahlt gemacht“, sagte der Kammerobmann für Transport und Verkehr, nachdem FPÖ, ÖVP und SPÖ gemeinsam ein Gesetz zur Fixierung der Taxipreise und Ausschaltung der Konkurrenz durch Uber beschlossen haben. Die Wortwahl ist vielsagend: „Gespräche im Hintergrund“, „bezahlt gemacht“. Da hat die gute, alte österreichische Lösung über die Innovation aus Übersee gesiegt. Und die Kammer über die Wirtschaft.

Die Konsumenten? Sollen sie doch Fiaker fahren, wenn ihnen das Taxi nicht passt! Ja, die Abwehrhaltung der Taxler ist verständlich, und ja, die Klientelpolitik der Wirtschaftskammer auch. Aber bei den Parteien ist die Frage schon schwieriger zu beantworten. Für wen beschließen sie dieses Gesetz? Wohl nicht für „uns alle“, denen es mit günstigeren Preisen und anderen Uber-Annehmlichkeiten nie wirklich schlecht gegangen ist. Wenn das das Niveau ist, auf dem der Wahlkampf geführt wird, dann geht es am Ende weder der Wirtschaft noch „uns allen“ gut, sondern nur einigen kleinen und offenbar zu mächtigen Lobbys.

Es ist auch extrem kurzsichtig, sich mit einer plumpen Methode wie Fixpreisen gegen Innovation zu wehren. Statt sie für alle einzuführen, sollten sie für alle abgeschafft werden. Das wäre eine flexible, zukunftsgerichtete Lösung und würde die Taxilobby dazu zwingen, sich rechtzeitig etwas einfallen zu lassen – statt ein Geschäftsmodell zu verteidigen, das ohnehin angezählt ist. Das wäre Politik im Sinn der Konsumenten und Wähler.


Leider werden in Österreich stets Feindbilder aufgebaut und dann medienwirksam bekämpft, wenn es um „die Wirtschaft“ geht. Nach der Krise waren es die Spekulanten und Reichen, jetzt sind es die bösen amerikanischen Tech-Firmen. Ein fatales Muster, das sich immer zu wiederholen scheint. Ausgetragen wird dieser Kampf stets auf dem Rücken der Menschen. Das ging so weit, dass alle Aktionäre mit Spekulanten gleichgesetzt wurden und der Kapitalmarkt beschränkt wurde, statt ihn zu fördern. In einer Zeit, in der es null Zinsen auf dem Sparbuch gibt. Das ist nicht nur kurzsichtig, sondern fahrlässig.

In den USA, wo der Wahlkampf gerade beginnt, läuft das seit jeher anders. Schon lang vor Donald Trump war „die Wirtschaft“ immer etwas, was als gemeinschaftliches Projekt aufgefasst wurde. Auch deswegen, weil Millionen von Wählern privat und über die betriebliche Pensionsvorsorge auf dem Aktienmarkt investiert sind. Alle sitzen in einem Boot und sind direkt von der Attraktivität des Standorts und der Innovationskraft der Unternehmen abhängig.

Das muss man nicht 1:1 kopieren – unsere soziale Marktwirtschaft mit den staatlichen Pensionssystemen hat große Vorteile. Aber die aktive Bekämpfung von Innovation und Investition beschädigt unseren Standort jeden Tag. Es hat ja einen Grund, warum die heißen Internetfirmen aus den USA kommen, wo es weniger Bürokratie und mehr Geld aus den tiefen Kapitalmärkten gibt.

Wir können nicht weiterhin einfach die Augen verschließen, die Finger in die Ohren stecken und ein Liedchen trällern, um diese Tatsachen zu ignorieren. Dieses Verhalten schützt uns nicht vor dem technischen Fortschritt – es behindert uns dabei, die Vorteile dieses Fortschritts für uns zu nutzen.

E-Mails an:nikolaus.jilch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2019)

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