An der Misere der Deutschen Bank ist nicht die Finanzkrise schuld

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Die Bankenbranche durchläuft einen epochalen Umbauprozess. Die Deutsche Bank hat lang geglaubt, dass sie unsterblich ist. Spät erkannte sie den Irrtum.

Vor zwanzig Jahren war die Deutsche Bank auf dem Zenit angelangt. Mit der Übernahme der US-Investmentbank Bankers Trust stieg sie in den US-Markt ein. Man heuerte teure Mitarbeiter an, legte innovative Finanzprodukte auf und setzte vor allem auf Wachstum. Zunächst mit Erfolg. Im Investmentbanking wollte die Deutsche Bank in einer Liga mit den „Big Five“ – den großen US-Investmentbanken Goldman Sachs, Morgan Stanley, Merrill Lynch, Bear Stearns und Lehman Brothers – spielen.

Von ihnen gibt es heute noch zwei. Dazwischen liegt die Finanzkrise. In den USA, wo die Misere ihren Ursprung genommen hatte, kam es rasch zu einer Marktbereinigung unter den Banken. Die überlebenden Institute sind heute mächtiger als je zuvor, profitabler und mit mehr Eigenkapital ausgestattet. Sie haben es freilich auch leichter, weil die Zinsen in den USA höher sind als in Europa. In einem solchen Umfeld sind auch die Margen der Banken im Zinsgeschäft größer. Hinzu kommt, dass die US-Wirtschaft in den vergangenen Jahren deutlich stärker gewachsen ist als jene in Europa. Die europäischen Banken wiederum leiden unter einer ausufernden Regulierung.

Doch zeigte sich im Lauf der Jahre, dass die Finanzkrise der Deutschen Bank schwerer zugesetzt hatte als ursprünglich angenommen. Altlasten, Prozesse und Skandale machten dem Institut zu schaffen und drückten auf den Gewinn. Der Aktienkurs fiel von einem Rekordtief zum nächsten. Das führte zu einem folgenschweren Irrtum: Wenn man die Altlasten erst bewältigt hätte, würde die Deutsche Bank zu ihrer einstigen Größe zurückkehren. An Strategien fehlte es keineswegs: Vier Bankchefs kündigten in sieben Jahren fünf tiefgreifende Umbaupläne an.

Eine Antwort auf die grundlegenden Veränderungen im Bankensektor fand man nicht. Dabei steht die Branche vor ähnlich schweren Herausforderungen wie die Autohersteller. Im Zinsgeschäft ist kaum Geld zu verdienen, und das dürfte in den nächsten Jahren auch so bleiben.

Die Innovation im Zahlungsverkehr wird zu einem Gutteil außerhalb des Sektors vorangetrieben, von PayPal, Apple oder Facebook, das demnächst eine eigene Kryptowährung lancieren will. Symptomatisch für den Systemwandel ist, dass es der Zahlungsdienstleister Wirecard, der auch über eine Banklizenz verfügt und voriges Jahr die Commerzbank aus dem Frankfurter Leitindex DAX verdrängt hat, auf einen höheren Börsenwert (18 Mrd. Euro) bringt als die Deutsche Bank selbst (14 Mrd. Euro).

Die traditionellen Banken ziehen in diesem Bereich nur langsam nach, die Deutsche Bank zählt nicht wirklich zu den Pionieren. Die digitale Infrastruktur sei veraltet, warfen Aktionäre bei der Aufsichtsratssitzung im Mai dem Vorstand und dem Aufsichtsrat vor.

In noch einem Punkt hat die Deutsche Bank die Veränderungen lang nicht verstanden: Die hohen Boni für Mitarbeiter trotz Verlusten (in den Jahren 2015–2017) sorgten zunehmend für Kritik. Vor allem die Investmentbanker gelten noch immer als sehr gut bezahlt, obwohl die Sparte sich zunehmend als Sorgenkind erwiesen und hohe Kosten verursacht hat. Doch schreckte die Deutsche Bank lange Zeit davor zurück, ausgerechnet ihr Aushängeschild abzusägen.

Bankchef Christian Sewing hat nun eine Strategieänderung angekündigt, nicht die erste, aber die möglicherweise einschneidendste: 18.000 Jobs sollen gestrichen werden, vor allem im Investmentbanking. Die Bank will sich künftig auf das Geschäft mit Privatkunden und Unternehmen sowie auf Vermögensverwaltung konzentrieren. Das könnte der Deutschen Bank langfristig auch wieder ein solideres Image verleihen.

Börse und Analysten hegen ihre Zweifel an der vermeintlich geläuterten Bank. Die Bilder von gekündigten Deutsche-Bank-Mitarbeitern mit ihren Umzugskartons wecken Erinnerungen an die Lehman-Pleite. Die Deutsche Bank steht auf der Kippe. Noch fehlt es an einer glaubwürdigen Strategie bezüglich Digitalisierung und dauerhaft niedrigen Zinsen. Das wird eine noch härtere Aufgabe als der dramatische Jobabbau.

E-Mails an: beate.lammer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2019)

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