Die AfD ist das bleibende Erbe der Ära Merkel

Deutschland hat seinen Ausnahmestatus in Europa verloren: Der Rechtspopulismus blüht nun auch im Herzstaat der EU. Das wird Folgen haben.

Die blauen Balken der rechtspopulistischen AfD werden am Sonntagabend ziemlich weit nach oben schießen. Lang hatte es in Umfragen sogar so ausgesehen, als könnten die Rechtspopulisten bei den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen Platz eins erobern. Doch zuletzt hat sich der Wind gedreht. In Sachsen hat sich CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer in einem Endspurt abgesetzt, und auch in Brandenburg könnte am Ende doch der sozialdemokratische Amtsinhaber, Dietmar Woidke, die Nase vorn haben. Ob und wie weit die Meinungsforscher danebenlagen, wird man am Wahlabend sehen.

Eines aber scheint gewiss: Die Rechtspopulisten werden in beiden ostdeutschen Bundesländern zulegen und rund ein Fünftel der Stimmen einheimsen. In Österreich hat man sich an solche Dimensionen gewöhnt, die FPÖ wird trotz des Ibiza-Skandals in diese Sphären vordringen. In Deutschland jedoch ist das Phänomen relativ neu: Die AfD gibt es erst seit 2013. Dementsprechend leidenschaftlich wird der Aufstieg der Rechten debattiert.

Aus einem Projekt rechtsliberaler Professoren, die Deutschland im Gefolge der Finanzkrise am liebsten aus der Eurozone geführt hätten, ist eine Massenbewegung mit ausländerfeindlichen Zügen geworden, die vielerorts mehr als nur anstreift am braunen Rand. Im Gegensatz zu rechten Sternschnuppen wie den Republikanern, die zwischen 1989 und 1996 in Landtage, aber nie in den Bundestag kamen, scheint sie sich festzusetzen.

Im Rückblick könnte sich die AfD als bleibendes politisches Erbe der Ära Merkel erweisen. Die deutsche Dauerkanzlerin hat das Vakuum rechts der Mitte aufgemacht, in das die Rechtspopulisten gestoßen sind. Der abgrenzende Bezug zu Angela Merkel ist schon in den Parteinamen eingraviert: „Alternative für Deutschland“ heißt der Verein deshalb, weil die CDU-Vorsitzende ihre Politik zur Rettung des Euro stets „alternativlos“ genannt hat. Zwei Jahre später wirkte ihre Politik der offenen Grenzen während der Flüchtlingskrise wie ein gigantisches politisches Konjunkturprogramm für die damals schon darniederliegende AfD. Die Partei zehrt noch heute davon, besonders im Osten.

Deutschland verliert damit seinen politischen Ausnahmestatus innerhalb Europas. Früher wuchs kein Gras rechts von der Union. Doch jetzt gedeiht auch in Deutschland, was zwischen Frankreich, den Niederlanden und Österreich schon seit Jahrzehnten blüht: der Rechtspopulismus. Mit kaltem Blick betrachtet, stellt diese Entwicklung eine gewisse Form der Normalisierung dar. Und doch trifft die Welle nun das bedeutsamste Mitglied der EU. Es wird nicht ohne Folgen bleiben, wenn nun auch in Europas Herzstaat die Mitte schrumpft und sich nationalistisch-europafeindliche Tendenzen ausbreiten.


Noch wird die AfD von der Macht ferngehalten. Sowohl die CDU als auch die SPD haben Koalitionen mit den Rechtspopulisten ausgeschlossen. Wer mit völkischen Slogans spielt oder wie der Spitzenkandidat der Brandenburger AfD im rechtsextremen Milieu verwurzelt ist, kommt in Deutschland nicht als Regierungspartner infrage. Dort sind die polithygienischen Geigerzähler noch feiner eingestellt als anderswo. Für die AfD könnte sich die Ausgrenzung indes als zusätzliche Wachstumsspritze erweisen. Aus dem Dilemma kommt Deutschland nur, wenn sich die AfD mäßigt oder von einer nach rechts rückenden CDU wieder aufgesaugt wird. Beides ist nach jetzigem Stand wenig wahrscheinlich. Früher oder später werden konservative Koalitionsmathematiker deshalb auch nach rechts zur AfD schielen.

Das Regieren wird jedenfalls künftig nicht einfacher in Deutschland. Schon jetzt brächten die einstigen Volksparteien bundesweit keine Mehrheit zustande, die SPD ist im freien Fall und in Umfragen auf 15 Prozent abgerutscht. Schwarz-Grün könnte eine Alternative sein, wenn es sich denn ausgeht und der Höhenflug der Umweltpartei anhält.

In Sachsen und Brandenburg werden nach der Wahl vermutlich Dreierkoalitionen nötig sein. Ein Vorgeschmack dessen, was auf die Bundesrepublik noch zukommt. Deutschland wird Stabilität künftig wohl anders buchstabieren.

E-Mails an:christian.ultsch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2019)

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