Leitartikel

Eine fatale Mischung aus grünem Aktionismus und der Bauernlobby

Die vom Parlament ausgesprochene Verpflichtung für die Regierung, das Mercosur-Abkommen jedenfalls abzulehnen, ist Wahlkampf-Populismus.

Die Regierung muss das Freihandelsabkommen mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten ablehnen. Der finale Text liegt zwar noch nicht vor, und auch die Ratifizierung wird erst Mitte 2020 beginnen. Dennoch fasste der heimische Nationalrat bereits diesen Mittwoch einen entsprechenden Beschluss. Erneut ein Beweis, dass das freie Spiel der Kräfte in Wahlkampfzeiten höchst anfällig für populistische Entscheidungen macht. Denn justament zu einem Zeitpunkt, an dem ein Handelskrieg zwischen den USA und China dabei ist, die globale Konjunktur abzuwürgen, ist dieser Hüftschuss gegen den Freihandel ein fatales Signal.

Nicht nur, weil derzeit jeder live zusehen kann, wie neue Zollschranken Jobs vernichten. Sondern auch, weil es gerade der von US-Präsident Donald Trump propagierte Protektionismus für Europa essenziell macht, sich neue Märkte zu erschließen. Und auch wenn Südamerika den meisten Österreichern nur als exotische Urlaubsdestination ein Begriff ist, hängen hierzulande 32.000 Jobs an den Exporten in den Mercosur-Raum.

Der Parlamentsbeschluss ist die tragische Folge, wenn im Wahlkampf die Stimmen von ein paar Tausend Österreichern plötzlich wichtiger sind als langfristige politische Entscheidungen, die ganz Europa betreffen. Denn eines darf man nicht vergessen: Das Mercosur-Abkommen ist ja nicht plötzlich passiert – es wird seit dem Jahr 2000 unter Beteiligung Österreichs verhandelt. Kurz vor der Wahl gibt es aber plötzlich andere Prioritäten. Und so rittern SPÖ und Liste Jetzt um die Stimmen der grünaffinen Wähler. Die FPÖ um jene, denen alles automatisch suspekt ist, sobald es aus dem Ausland kommt. Und die Türkisen sind plötzlich wieder tiefschwarz, wenn es darum geht, der Bauernlobby ihre Wünsche zu erfüllen. Einzig die Neos blieben ihrer Meinung treu, obwohl sie in der breiten Bevölkerung wohl auf wenig Gegenliebe stößt.

Denn die Ablehnung des Mercosur-Abkommens war kein großes politisches Risiko. Schließlich sind die Österreicher traditionell Gegner des Freihandels, obwohl ihr Wohlstand zu großen Teilen durch den Export von hierzulande produzierten Waren erwirtschaftet ist. Schön zeigt sich diese Doppelmoral justament beim in der Mercosur-Ablehnung so dominanten Thema Rindfleisch. Hier produziert Österreich um 41 Prozent mehr, als selbst im Land gegessen wird. In Summe exportiert die Republik mehr Rindfleisch im Jahr, als künftig aus den Mercosur-Staaten in die EU eingeführt würde.

Natürlich gibt es Argumente der Mercosur-Gegner, die ihre Berechtigung haben. So verursacht ein Kilo Rindfleisch aus Österreich im Schnitt 14 Kilogramm CO2, eines aus Brasilien rund 80 Kilogramm. Es spricht also vieles dafür, regional produzierte Waren zu kaufen. Daraus ein Veto gegen ein gesamtes Freihandelsabkommen abzuleiten ist aber keine verantwortungsvolle Politik. Will man unfaire Vorteile beim Thema Klimaschutz ausgleichen, wäre eine Art CO2-Importsteuer zu überlegen. Unter dem Mäntelchen des Klimaschutzes aber Importe zu blockieren ist das Öffnen einer Büchse der Pandora. Was kommt als Nächstes? Ist künftig der Wein aus Spanien noch in Ordnung? Oder der Käse aus Norddeutschland? Zudem lässt sich der Schutz des Regenwalds vor Brandrodungen mit einem klug verhandelten Abkommen als Druckmittel gegenüber Brasilia wohl wesentlich besser gewährleisten, als wenn einfach die Tür zugeknallt wird.

Mit der Ablehnung von Mercosur wird jene eigenartige Anti-Freihandel-Stimmung perpetuiert, die es justament in Österreich seit Jahrzehnten gibt. Dabei sind sich Ökonomen einig, dass der Abbau von Zollschranken den beteiligten Menschen langfristig mehr Wohlstand gebracht hat. Und das führt zu einem weiteren Punkt: Der Export eigener Produkte – vor allem aus der Landwirtschaft – ist für viele Länder des Südens die einzige Möglichkeit, mittelfristig selbst zu Wohlstand zu kommen. Nur so können dort Jobs und wirtschaftliche Strukturen entstehen, die auch den Migrationsdruck Richtung Norden reduzieren. Wir sollten den Menschen diese Chance nicht verwehren.

E-Mails an:jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2019)

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