Spaniens Stolz wird jetzt zur tödlichen Arroganz

Spanien muss unter den Euro-Rettungsschirm, so viel steht fest. Und danach muss sich die Eurozone ernsthaft die Frage stellen, wo sie wirklich hin will.

Sie wollen das nicht. Sie sind zu stolz. Aber das ist eine tödliche Arroganz.“ Mit diesen Worten zitiert die spanische Zeitung „El Mundo“ eine ungenannte deutsche Regierungsquelle. Und nichts kann die Situation, in der die spanische Regierung derzeit steckt, besser beschreiben als diese Worte.

„Das“ ist Milliardenhilfe aus dem europäischen Rettungsschirm für das kriselnde Spanien und seine krachenden Banken. Die Deutschen machen – zuletzt gestern bei der informellen G7-Telefonkonferenz zur Eurokrise – gehörigen Druck, um die Spanier unter den rettenden Schirm zu drängen. Doch die stolzen Iberer zieren sich.

Ein folgenschwerer Fehler: Je länger sich Spanien Zeit lässt, desto teurer wird es. Dass die Beteuerungen, das Land werde seine Probleme aus eigener Kraft lösen, im Reich der Märchen anzusiedeln sind, steht unterdessen ja fest.

Spätestens seit gestern, als der spanische Finanzminister kleinlaut einbekennen musste, dass dem Land der Zugang zum Kapitalmarkt de facto verschlossen ist. Als gleichzeitig der für Soziales zuständige Staatssekretär Tomas Burgos warnte, dass die Sozialversicherungen in den kommenden Monaten in ernste „Liquiditätsprobleme“ hineinlaufen. Und als Emilio Botin, der Chef der größten spanischen Bank, 40 Milliarden aus dem Euro-Rettungsschirm für die vier größten Geldinstitute des Landes einforderte.

Dass Botin gleichzeitig versicherte, es gebe „keine Finanzkrise“, sondern nur ein paar Bankenprobleme, deutet freilich darauf hin, dass die Iberer noch nicht ganz begriffen haben, wie tief sich ihr Karren schon in den Schlamm der Eurokrise eingegraben hat.

Spanien kann sich da selbst nicht mehr herausziehen. Es gibt keine Alternative mehr zu einer europäischen Rettungsaktion. Und die wird, auch das kann man mit Sicherheit sagen, viel teurer, als jetzt öffentlich bekannt ist. Die deutsche Regierung selbst geht von einem Finanzbedarf der spanischen Banken von bis zu 90 Milliarden Euro aus. Weil die Immobilienkrise aber noch nicht beendet ist, wird allein die Bankenrettung wohl einen dreistelligen Milliardenbetrag verschlingen.

Die Chancen, dass das Ganze in diesem Fall wirkt, stehen allerdings um vieles besser als etwa in Griechenland. Denn Spanien hat, zumindest im Nordosten des Landes, eine noch starke industrielle Basis, und es hat eine Regierung, die ernsthafte Reformen (etwa auf dem Arbeitsmarkt) auf den Weg bringt.

Es hat auch weniger ein Staatsschuldenproblem als eines der privaten Verschuldung. Die Bankenprobleme, die dem Staat jetzt so schwer auf der Tasche liegen, haben ja zum großen Teil damit zu tun, dass die vielen arbeitslosen Spanier ihre in Boomzeiten aufgenommenen, viel zu hohen Immobilienkredite nicht mehr bedienen können.

Hier beherzt mit Hilfsgeldern einzuspringen, wird sich für Europa also wohl auszahlen. Wenn die Spanier selbst wollen. Das Land ist zwar von der Größe her eine harte Nuss für jeden Rettungsschirm, aber die Dimension ist noch „handlebar“.

Dann muss sich die Euro-Gruppe aber ernsthaft etwas überlegen. Denn mit erdrückenden Zinsen kämpft ja auch Italien. Und auch Rom wird irgendwann einbekennen müssen, dass es diese Last nicht allein schultern kann. Und ein Land nach dem anderen herauszuhauen – dafür wird der beste Rettungsschirm nicht reichen.

Was da jetzt hinter verschlossenen Türen in Brüssel an „Geheimplänen“ für Fiskal- und sonstige Unionen ausgebrütet wird, mit denen man die Staatsfinanzierung auch für den „Club Med“ wieder tragbar machen könnte, geht in diese Richtung. Geheimnistuerei ist allerdings die beste Garantie dafür, dass das Ganze wieder einmal am Widerstand der übergangenen Bevölkerungen scheitert.

Man wird jetzt ganz klar sagen müssen: Wir sind an einer Weggabelung, an der es nur zwei Wahlmöglichkeiten gibt. Entweder wir finden eine gemeinsame Antwort auf die Herausforderungen. Das ist untrennbar mit der Abgabe nationaler Souveränität verbunden. Oder wir geben das Projekt auf (und versinken in die globale Bedeutungslosigkeit). Ein dritter Weg ist eine Illusion.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2012)

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