Wer hat denn die Zinspeitsche versteckt?

Die Inflation nimmt an Fahrt auf – und die EZB unternimmt nichts.

Die Inflationsrate ist in der Eurozone im Oktober also auf 2,2 Prozent gestiegen, die vergleichbare österreichische sogar auf 2,4. Und der von der Statistik Austria ermittelte „Wocheneinkauf“-Index – ein für die meisten Menschen wesentlich lebensnäherer Teuerungsindikator – liegt unterdessen gar bei 4,9 Prozent.
Ganz schön viel für eine Nullzinsumgebung, die in diesem Fall die Sparguthaben in atemberaubendem Tempo entwertet. Und jedenfalls deutlich mehr als das von der EZB festgesetzte Stabilitätsziel, das eine Teuerungsrate von knapp unter zwei Prozent vorsieht.
Eigentlich müssten die Währungshüter jetzt mit der Zinspeitsche hineingrätschen. Tun sie aber nicht. Nach derzeitigem Stand wird wohl noch ein Jahr vergehen, bis sie vorsichtig an der Zinsschraube zu drehen beginnen.
Sie sind aber auch in einer teuflischen Situation: Ziehen sie die Zinsen, wie das Umfeld eigentlich nahelegen würde, deutlich an, dann bringen sie Länder wie Italien an den Rand des Staatsbankrotts. Denn Italien hat, wie andere, aber weniger wackelige Euroländer auch, die Niedrigzinsen keineswegs für Strukturreformen und Budgetsanierung genutzt. Sondern das Ganze eher als willkommene Gelegenheit zum Weiterwursteln gesehen.

Die Währungshüter werden jetzt allerdings argumentieren, dass die Situation noch nicht ernst sei. Erstens lässt die inflationstreibende Konjunktur, wie EZB-Chef Mario Draghi gestern betont hat, ohnehin gerade nach. Und zweitens liegt die sogenannte Kerninflation in der Eurozone erst bei 1,1 Prozent. Kerninflation ist die Teuerung ohne Energie- und Lebensmittelpreise. Eine in der Ökonomie durchaus sinnvolle Kennziffer, die allerdings den Menschen, die auch Lebensmittel und Treibstoffe bezahlen müssen, herzlich wenig hilft.
Wie auch immer: Derzeit ist die Inflation noch kein wirklich existenzielles Thema. Aber die jetzige Nichtreaktion ist ein Warnsignal. Denn wenn irgendwann auch die Kerninflation anzieht und die EZB dann vor der Wahl steht, ob sie Italien in den Bankrott und damit den Euro in die nächste Krise schicken oder die Inflation davongaloppieren lassen soll, dann wird es spannend.

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