„Hallo Alex“: Der E-Mail-Eingang des ORF-Generals

Der Brief von Meischberger an Wrabetz kann als Präludium für das politisch motivierte Hickhack vor der ORF-Generalswahl verstanden werden.

TELETEXT

Die Welt ist ein Gegengeschäft. Dass dieses Credo auch in der Chefetage auf dem Küniglberg zur Anwendung kommt, konnte bisher nur vermutet werden. Ein kürzlich aufgetauchtes E-Mail, das das Nachrichtenmagazin „Profil“ am Montag veröffentlicht hat, bestätigt diese Vermutung allerdings.

Walter Meischberger war 2006 als vom BZÖ entsandter ORF-Stiftungsrat maßgeblich dafür verantwortlich, dass Alexander Wrabetz mit einfacher Mehrheit zum neuen Generaldirektor des ORF bestellt wurde. Ein Jahr später, am 30. August 2007, wollte sich Meischberger in einem Mail an den ORF-Chef in Erinnerung rufen: „Hallo Alex“, schrieb er. „...es ist bereits ein Jahr her, dass ich meinen Teil unserer Vereinbarung gehalten habe, obwohl das damals gar nicht so einfach war, während Du – nach wie vor – keinerlei Anzeichen gibst, auch Deinen Teil der Vereinbarung einzuhalten.“

Meischberger bestreitet heute zwar „die Echtheit“ dieses nun aufgetauchten elektronischen Briefes, kann sich aber immerhin noch daran erinnern, dass er Wrabetz den Vorschlag für ein wöchentliches Fernsehmagazin für die Zielgruppe 45 plus auf ORF2 gemacht hatte. In dem E-Mail verlangte er die Umsetzung dieser Sendung, für die ihm Wrabetz angeblich ein Budget von drei Millionen Euro zugesichert hatte. Meischberger erinnerte den ORF-Chef auch daran, eine Gehaltserhöhung für einen Sportreporter zugesagt zu haben. Auch dieses Versprechen habe er nicht eingehalten.

Im ORF stellt man nun den Chef als Unschuldigen dar und versucht, Vorwürfe kleinzureden. Der Tenor: Wer kann schon etwas für die Briefe, die im Posteingang landen? Wrabetz habe auf Meischbergers Bitten ohnehin nicht reagiert, sich also nichts vorzuwerfen. Der ORF-General selbst schweigt eisern, auch nach seiner Rückkehr aus den Semesterferien. Stattdessen betont ORF-Sprecher Martin Biedermann, dass es keine Vereinbarung mit Meischberger gegeben habe, sondern eine bloße Zusage, er solle sich Pläne für eine Sendung überlegen, die der ORF prüfen werde.

Das mag alles stimmen. Fragen wirft die elektronische Post mit dem brisanten Inhalt trotzdem auf: Hat sich Wrabetz die Stimmen diverser Stiftungsräte etwa mit mündlichen wirtschaftlichen Zusagen erschlichen? Wenn ja, könnte das auch für die im August anstehende Wahl Auswirkungen haben. Schließlich könnte man auf den Gedanken kommen, dass er den Räten auch diesmal mit demselben Schmäh kommt.

Dass Wrabetz – mit Rückenstärkung der SPÖ – erneut als ORF-Chef antritt, ist so gut wie fix. Der immer wieder genannte Gegenkandidat Gerhard Zeiler soll bereits eine Absage der SPÖ erhalten haben. Das Meischberger-Mail war eine Art Trockentraining für Wrabetz. Anpatzversuche dieser Art wird er in den kommenden Monaten öfter aushalten müssen.

E-Mail: anna-maria.wallner@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.02.2011)

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