Lasst mir mein Ö 1 in Ruh'!

Es ist, heißt es immer wieder, der sogenannte Kulturkanal des ORF, dieses "Österreich 1". Das stimmt. Zwar lässt sich darüber debattieren, was man unter Kultur versteht und was ihre Grenzen sind, aber es gibt handfeste Beweise dafür, dass sich Ö 1 Gott sei Dank innerhalb dieser Grenzen bewegt. Weiß man nicht, dass Natascha Kampusch ihre gewählte Ausdrucksweise (etwa den ständigen Gebrauch der Mitvergangenheit anstelle des Perfekts der Alltagssprache) unter anderem dem häufigen Anhören des Ersten Radioprogramms verdankt?

Nicht zuletzt deswegen, aber vor allem aus eigenem Erleben (Radio heißt ja auch Leben), bitte ich inständig: Lasst mir mein Ö 1 in Ruh'! Vergesst, was da an Ideen herumgeistert, um die Reichweite zu erhöhen. Ich glaube, dass dieses Erste Programm zum Besten gehört, was europäische Rundfunkstationen zu bieten haben.

Da ist etwa das Radiokolleg, keineswegs "Schulfunk", sondern durchaus dem sogenannten Bildungsauftrag entsprechend. Wobei in diesem Fall gezeigt wird, was man wirklich unter Bildung verstehen kann. Da ist eine meiner Lieblingssendungen, "Hörbilder" genannt, jeden Samstag vormittags zu empfangen. Da ich vor langer Zeit selbst Features für Radio und Fernsehen schrieb, weiß ich, welche Entwicklung diese Art von Programmen in punkto Modernität, Lebhaftigkeit und journalistischer Verve seither genommen hat. Da ist der "Guglhupf", jene (vielleicht ein bisserl alt gewordene) Kabarett-Sendung, die meist wirklich lustig ist.

Gewiss, Ausrutscher kom men auch im Kulturkanal vor. Etwa, wenn (im Programm "Spielräume spezial") eine ausführliche Sendung über "Hurenlieder" (sic!) gebracht wird und die Moderatorin genüsslich "Steck' ihn mir eini" zitiert. Ausdrücke waren da zu hören, die man früher an Pissoirwänden lesen konnte - ein "three letter word" mit "u" in der Mitte, heute durch modernere Bezeichnungen ersetzt, war noch das geringste.

Soll sein! Für Ö 1 ist Obszönität eben auch ein Begriff der Soziologie, ja der Kulturgeschichte, und Spielräume müssen ja nicht unbedingt mit Genitalien zu tun haben. Ich halte das Erste Programm trotzdem für eine Perle in der Medienwelt. Noch einmal: Lasst es mir bitte in Ruh'! Nur eine kleine Bitte habe ich am Schluss: Sagt nicht "Budapescht"! Und wenn, dann auch "Pari"!

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.