Merkels Last-Minute-Mission

Die Europäer sind auf das Schlimmste gefasst. Nur die Doppelstrategie des Tandems Macron-Merkel kann die Vergrößerung des transatlantischen Grabens noch abwenden.

Die Macron-Festspiele in Washington sind zu Ende gegangen, ohne dass der französische Präsident mehr als einen symbolischen Erfolg erzielt hätte. Im Gegenteil: Am Ende seines Staatsbesuchs setzte er in seiner Rede im Kongress einen Kontrapunkt zur America-First-Politik des Donald Trump. All dies wird Angela Merkel nicht entgangen sein, die heute im Weißen Haus zu einer Last-Minute-Mission ansetzen wird, um die europäischen Interessen zu forcieren.

Macron ließ durchblicken, dass der Atomdeal mit dem Iran für den US-Präsidenten schon so gut wie Makulatur ist. Und just zum Tag der Arbeit hängen US-Strafzölle für Stahl und Aluminium wie dunkle Wolken über der EU. Die Europäer sind auf das Schlimmste gefasst. Nur die Doppelstrategie des Tandems Macron-Merkel kann die Vergrößerung des transatlantischen Grabens noch abwenden. M & M haben sich abgestimmt: Macron war für die Charmeoffensive zuständig, Merkel sollte den schwierigen Part übernehmen – die Sach- und Überzeugungsarbeit. Ein bloßer Handschlag ist heute im Weißen Haus wahrscheinlicher als ein hingehauchter Wangenkuss und joviale Gesten.

Der kaum 24-stündige Kurztrip der Kanzlerin in die USA markiert das Kontrastprogramm zur Macron-Visite. Merkel muss sich nicht mehr n Szene setzen, was ohnehin ihrem Naturell widerspricht. Die ostdeutsche Pastorentochter und der Macho-Präsident haben bisher keinen Draht zueinander gefunden. Die Welten, aus denen sie kommen, sind zu unterschiedlich. Und das spiegelt sich in ihrem Polit-Stil wider: da die No-Nonsense-Pragmatikerin und dort der egomanische Schwadroneur.

Die Trump-Vorgänger George W. Bush und Barack Obama haben indessen nie ein Hehl aus ihrer Wertschätzung für die deutsche Regierungschefin gemacht, und es fehlte auch nicht an rhetorischen Streicheleinheiten für sie. Nicht nur der „New York Times“ galt Merkel nach der Trump-Wahl als Führerin der „freien“ Welt. Zuletzt herrschte freilich eine halbjährige Funkstille zwischen Washington und Berlin, was nicht nur mit den turbulenten Koalitionsverhandlungen in Deutschland zu tun hatte.

Merkel wird also mit der ihr eigenen Beharrlichkeit noch einmal alles für die Europäer in die Waagschale werfen. Es wird aber einer Meisterleistung bedürfen, die Argumente Trumps gegen Deutschland zu entkräften. Der Präsident wird das Handelsbilanzdefizit der USA gegenüber den deutschen Exportweltmeistern und die unterdurchschnittlichen Verteidigungsausgaben Berlins ins Treffen führen und sein Gegenüber damit in die Defensive treiben. Die Kanzlerin hat dem nicht wirklich viel entgegenzusetzen. Womöglich werden Merkel und Trump aneinander vorbeireden. Jenseits der Politik haben sich die beiden ohnehin nicht viel zu sagen: Merkel geht nicht zum Golfen, Trump nicht in die Oper.

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