Das mazedonische Fake-News-Problem der EU

Ende des Monats entscheidet sich in Skopje, ob die Union ihrem Anspruch als regionalpolitische Ordnungsmacht gerecht wird. Es wäre insofern gut, der von Russland lancierten Verbreitung von Desinformation forsch entgegen zu treten.

Es gibt triftige Gründe, sich für das aktuelle Geschehen in Mazedonien zu interessieren. Am 30. September sind die Bürger des Zwei-Millionen-Einwohnerstaates am Westbalkan zur Abstimmung über die Frage aufgerufen, ob ihr Land künftig offiziell "Republik Nord-Mazedonien" heißen soll. Sollten sie dies befürworten und die Staatsverfassung entsprechend geändert werden, wäre dies ein entscheidender Schritt hin zur Lösung des Namensstreits mit Griechenland. Seit der Unabhängigkeitserklärung der früheren jugoslawischen Teilrepublik steht der kleinliche Zwist um diese Frage einem gedeihlichen Einvernehmen der beiden Nachbarstaaten und vor allem der Anbindung Mazedoniens an die EU im Wege (von einem Beitritt wird noch lange keine Rede sein).

Kurzum: ein Ja zur Umbenennung würde Mazedoniens Orientierung nach Westen enorm stärken. Wen wundert's, dass der Kreml daran keine Freude hat? Seit Wochen floriert das Unwesen gezielter Desinformation in den sozialen Medien, täglich erscheinen bis zu 40 neue Facebook-Gruppen. Allesamt folgen sie demselben Strickmuster, das an nachweislich vom russischen Geheimdienst lancierte ähnliche Gruppen während der US-Wahlen 2016 erinnert. Ihr Ziel: möglichst viele Mazedonier sollen verunsichert und von der Stimmabgabe abgehalten werden. Fiele die Beteiligung an der Volksabstimmung nämlich unter 50 Prozent, wäre sie ungültig, und die Sache ginge zur Entscheidung an das Parlament in Skopje. Das würde jedoch die Glaubwürdigkeit der Entscheidung, sich umzubenennen, stark mindern.

Entsprechend groß ist die Sorge im Land, aber auch bei westlichen Beobachtern. Der US-Verteidigungsminister warnte dieser Tage in Skopje vor der Einmischung fremder Mächte (auf dem Weg dorthin sprach er ausdrücklich Russland an), auch der NATO-Generalsekretär ist ob der gezielten Desinformation alarmiert.

Und die EU - genauer: die Europäische Kommission und der Auswärtige Dienst? Sie schweigt dazu - beziehungsweise weicht coram publico Fragen dazu aus, wie man der Regierung in Skopje bei der Abwehr dieser Desinformationsangriffe helfen könnte. Dabei ist man sich in der Führungsebene der Kommission des Problems genau bewusst. Man gehe lokal gegen Falschinformationen vor, in Zusammenarbeit mit lokalen Nichtregierungsorganisationen, Unternehmen und Persönlichkeiten, "weil die vor Ort sehr glaubwürdig sind", hieß es gegenüber der "Presse". Zudem hätte Russland in Mazedonien - anders als nebenan in Serbien - eher wenig sentimentale Unterstützung im Volk oder bei der orthodoxen Kirche (die nationalistische Oppositionspartei VMRO ist im Kampf gegen Bulgarien und dessen russische Unterstützer entstanden, gibt ein Kenner der Materie in der Kommission zu bedenken).

Trotzdem wäre es ratsam, würde auch die Hohe Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini, endlich einmal öffentlich klare Worte für die unerhörte Fake-News-Kampagne aus russischer Quelle finden. Mit der East StratCom Task Force hätte sie eine kleine, aber schlagkräftige Gruppe von Experten zur Enthüllung ausländischer Anti-EU-Desinformation im Haus - auch wenn es ein offenes Geheimnis ist, dass die moskaufreundliche Mogherini mit dieser Abteilung keine Freude hat und ihr Budget nur auf Druck des Europaparlaments zustande kam.

Doch wenn Europa tatsächlich "weltpolitikfähig" werden soll, wie Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker es vorige Woche in seiner Rede zur Lage der Europäischen Union erneut forderte, muss es in seiner Nachbarschaft unangefochtene Ordnungsmacht sein. Der Erfolg des mazedonischen Referendums ist eine Nagelprobe für diesen Anspruch. Es wäre tragisch, würde Brüssel diese Chance aus Rücksicht auf Moskauer Empfindlichkeiten verspielen.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.