Kein Scherz: Deutschland schafft die Narrenfreiheit ab

Kramp-Karrenbauer
Kramp-KarrenbauerREUTERS
  • Drucken

In der Karnevalszeit geht die Sprachpolizei verstärkt auf Streife. Billige Witze einer CDU-Chefin lösen bierernste Debatten aus. Es regiert da wie dort: die Humorlosigkeit.

Wer den deutschen Karneval schon einmal ertragen hat, und sei es nur vor dem TV-Gerät, der sieht den Villacher Fasching in einem anderen Licht. Er hält das Kärntner Treiben für hochgeistiges Kulturprogramm, für eine Ko-Produktion von ORF III und Arte. Der Fremdschämfaktor bei den deutschen Kostümierten ist jedenfalls hoch, vor allem dann, wenn die Kamera ins Publikum schwenkt, das sich mit teils hochrotem Kopf über die flachsten Witze „zerkugelt“, wie der Österreicher sagen würde.

Die eifrigsten Karnevalisten, die Rheinländer, gelten als Frohnaturen. Das ist eine angenehme Eigenschaft, die aber subtilem Humor eher abträglich ist. Das ist auch nicht schlimm. Man muss es nur wissen, denn es folgt nun ein Witz der neuen CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK), gesagt zwar nicht im Rheinland aber am „Stockacher Narrengericht“ in Baden-Württemberg. „Guckt euch doch mal die Männer von heute an. Wer war denn von euch vor kurzem mal in Berlin, da seht ihr doch die Latte-Macchiato-Fraktion, die die Toiletten für das dritte Geschlecht einführen“. Diese „Toiletten" seien für die Männer, „die noch nicht wissen, ob sie noch stehen dürfen beim Pinkeln oder schon sitzen müssen." Dazwischen seien die neuen Toiletten. Die für das dritte Geschlecht. Es war ein billiger Witz auf Kosten zweier Minderheiten - intersexueller Menschen (und Männer). Aber mehr war es auch nicht. Der ungeschickte und für manche sicher verletzende Kalauer gibt nicht die Staatsaffäre her, zu der er nun hochgejazzt wird. Also er täte das nicht außerhalb Deutschlands.

Denn ganz aufgeregt und lustvoll stürzt sich die Republik auf dieses „Narrengate“. Die Sprachpolizei verteilt Strafzettel. Deutsche Zeitungen berichten in ihren Innenpolitik-Ressorts. „AKK schweigt" zu der Affäre, heißt es in einer Online-Meldung und in anklagendem Unterton. Sehr viele sind außer sich, der Berliner SPD-Bürgermeister, die Grünen, die FDP. Selbst in der CDU drängen ein paar Stimmen auf eine Entschuldigung. Die Twitteria ist sowieso und immer empört, sie war es schon Tage zuvor, als AKK nicht Täterin sondern Opfer war, weil ein anderer Narr über (ihren) Doppelnamen witzelte. Die Debatten sind so bierernst, dass zumindest sie unfreiwillig komisch wirken. Man wartet im Grunde nur noch, bis sich der Bundespräsident in einer Live-Schaltung an die TV-Nation wendet.

Aber im Ernst: Der neuen CDU-Chefin fällt jetzt auf den Kopf, dass sie die Homo-Ehe einst implizit und ganz ernsthaft in die Nähe von Vielehe und Inzucht gerückt hat. Das war ein Eklat. Aber ein misslungener Witz zum "Karneval" in Stockach? Mag ja sein, dass sich Kramp-Karrenbauer mit dem missglückten Kalauer zum Narren gemacht hat. Aber das war ja irgendwie auch die Aufgabe.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Annegret Kramp-Karrenbauer bei ihrem Auftritt in Stockach am Bodensee.
Außenpolitik

Darf die CDU-Chefin Witze über Toiletten für Intersexuelle machen?

Ein Faschings-Auftritt von Annegret Kramp-Karrenbauer sorgt für Diskussion. Der LGBT-Verband der CDU fordert eine Entschuldigung. Andere in der Partei orten eine "Empörungskultur".

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.