Getarnte Fahrgäste

Angeblich gehört es zu den einschneidendsten Erlebnissen in öffentlichen Verkehrsmitteln, wenn einem erstmals im Leben ein Sitz angeboten wird: „Schau ich wirklich so alt/krank/schwanger/gebrechlich aus?“.

Angeblich gehört es zu den einschneidendsten Erlebnissen in öffentlichen Verkehrsmitteln, wenn einem erstmals im Leben ein Sitz angeboten wird: „Schau ich wirklich so alt/krank/schwanger/gebrechlich aus?“, grübeln die Menschen dann tage- ja, wochenlang. Mir hat man zwar noch keinen Sitz angeboten, aber mich hat letztens ein Kind mit einem Sitz verwechselt. Nichtsahnend saß ich mit roter Daunenjacke und roter Ledertasche auf dem Schoß auf einem roten Sitz in der U3. Da stürmen beim Stephansplatz vier Schüler (etwa zehnjährig) herein und geiern zu den drei freien Plätzen.

Nur einer glaubt, dass vier Sitze frei sind und will sich auf mich setzen. Ich konnte durch ein „Geht's noch?“ den Sitzreflex des Buben abwenden, der sich sogleich höflich entschuldigte. Seine Freunde rügten ihn dann, warum er seine Brille nicht auf habe. Seither lausche ich den neuen Ansagen der Wiener Linien noch genauer: Vielleicht ertönt demnächst die süße Stimme von Angela Schneider mit den Worten: „Bitte seien Sie achtsam. Falls zwischen Ihnen und dem Sitz ein Spalt frei bleibt, könnte sich unter Ihnen ein anderer Fahrgast befinden“. Oder: „Wegen Verstörung eines Fahrgastes kommt es in der U3 zur Feilbietung von Schoßplätzen.“ VERS


E-Mails an: veronika.schmidt@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2013)

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