Pizzicato

Der Mann in Weiß

Was für ein Märchen – so, als würde Cinderella der Kutsche entsteigen, um in Disneyland den Thron zu okkupieren. Eine Hollywood-Romanze, kitschiger als jedes Drehbuch.

Die Amerikaner – es lässt sich nicht anders sagen – sind ein wenig aus dem Häuschen, dass eine der Ihren heute zur richtigen Prinzessin aufsteigen wird. Mit allem Drum und Dran, mit Trara und Fanfaren.

Die Mutter der Braut, Sozialarbeiterin und Yoga-Lehrerin, war zum Nachmittagstee und Small Talk bei der Queen, der Granny des Bräutigams, auf Schloss Windsor geladen. Der ewige König in spe sprang als Schwiegervater ein, um die Ex-Schauspielerin zum Traualtar zu führen. Und der ältere Bruder, der Best Man und Thronfolger Nummer zwei, bringt den Toast aus. Awesome, das alles.

Vergessen sind die Kalamitäten um „Megs“ unpässlichen Vater, um die missgünstige Mischpoche, den Gift und Galle spritzenden Halbbruder und die Halbschwester. Zur Erleichterung der Briten und nicht zuletzt der Royals bleibt das Oberhaupt der USA zu Hause. Als Party Crasher hätte er gerade noch gefehlt. Irgendwie aber auch schade. Was hätte der Mann in Weiß aus der Wedding-Mania gemacht, der jüngst verstorbene Schriftsteller-Dandy Tom Wolfe, der lediglich zur Hochzeit der eigenen Tochter seinen weißen Maßanzug, sein Markenzeichen, im Schrank gelassen hatte? (vier)

Reaktionen an: thomas.vieregge@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2018)

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