Pizzicato

Der Tennisdiplomat

Wer wollte es leugnen: Es läuft nicht rund für die deutschen Ballartisten und Sporthelden.

Jogis Jungs haben sich in ihrem WM-Bunker in Watutinki eingegraben, der Sportschule von Spartak Moskau mit der herben Aura des Karl-Marx-Hofs, ehe sie sich nun in Sotschi die Brise des Schwarzen Meers um die Nase wehen lassen – und darauf hoffen, dass vor dem Showdown mit Schwedens Wikingern die Kritik von Altstars à la Lothar Matthäus verfliegt.

Apropos Altstars: Boris Becker, der Lothar Matthäus des Tennis mit wechselvoller Spätkarriere und schillerndem Privatleben, hat die Profession gewechselt. Der vollmundige Jung-Siegfried und Jäger der gelben Filzkugel hat sich in einen Diplomaten verwandelt.

Dass er just Zentralafrika, ein Land mit eher zweifelhaftem Leumund, als Attaché für Sport, Kultur und humanitäre Angelegenheiten in Brüssel repräsentiert, hat hochstaplerischen Charme. Für seine Tennistradition ist das Land jedenfalls nicht bekannt. Künstlerpech auch, dass der Diplomatenpass gefälscht ist, der ihm Immunität im Insolvenzverfahren garantieren sollte. Darüber ist ein Boris Becker indes erhaben, der als Denkmal seiner selbst und Wiedergänger Felix Krulls über den Sphären schwebt, seine Trophäen verhökert – und seine Haut zu Markte trägt: als Bluffer, Zocker und semiprofessioneller Pokerspieler im Spielcasino des Lebens. (vier)

Reaktionen an: thomas.vieregge@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.06.2018)

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