Quergeschrieben

Gefährlicher Dachschaden im Weißen Haus?

Für den Ausbruch eines Atomkrieges bedarf es nur eines Anrufs des US-Präsidenten Trump, dessen geistige Gesundheit zunehmend in Frage steht.

Nach tagelangen Beschimpfungen aus Pjöngjang reicht es dem US-Präsidenten. Per Anruf im War Room des Verteidigungsministeriums erteilt er den Befehl für einen massiven Atomangriff auf Nordkorea und China. Mitten in der Nacht und ohne jede Rücksprache mit seinen Beratern. Nur eine erfundene Entschuldigung Nordkoreas bewegt den Präsidenten, seinen Befehl zurückzuziehen. Wenige Sekunden, bevor die Raketen starten und der Untergang der Zivilisation in einem Atomkrieg beginnt.

Dieses Szenario im höchst erfolgreichen Polit-Thriller „To Kill the President“ wirkt so realistisch, weil der erfundene Präsident dem tatsächlich amtierenden so ähnlich ist. Und weil tatsächlich der US-Präsident so einfach und im Alleingang einen Atomkrieg beginnen kann. Ohne jede Mitsprache einer anderen politischen Institution oder Person kann er jederzeit im War Room des Pentagon anrufen, per Code seine Identität bestätigen und den Angriffsbefehl geben.

Eine höchst beängstigende Vorstellung bei einem Präsidenten Trump, der vor Wochen nach Raketentests dem nordkoreanischen Diktator mit „Feuer und Wut“ drohte, „wie sie die Welt noch nicht gesehen hat“. Und der zum erfolgreichen Test der ersten Wasserstoffbombe des „Schurkenstaates“ am Wochenende kryptisch erklärte, Nordkorea verstehe „nur eine Sache“.

Umso drängender wird die Frage nach der geistigen Verfassung des Präsidenten, volkstümlich formuliert: ob Trump einen Dachschaden hat. Ganz offen hat sie vor Kurzem öffentlich der frühere langjährige Chef aller Geheimdienste, James Clapper, auf CNN gestellt: Es sei „ausgesprochen beängstigend und verstörend“, dass Trump die Atom-Codes hat. „Ich bezweifle wirklich seine Fähigkeit und seine Tauglichkeit, dieses Amt zu bekleiden.“ Und ein Senator kommentierte knapp: „Ich glaube, er ist verrückt.“

Das geht weit über Trumps offensichtliche schwere narzisstische Störung hinaus. Seine brutale Gefühllosigkeit anderen und seine extreme Selbstverliebtheit sich selbst gegenüber. Sein absolut gestörtes Verhältnis zur Wahrheit, wenn es seinem Vorteil dient. Seine Großmäuligkeit mit permanenten Superlativen für seine Person und seine Taten.

Mehr als diese offensichtliche Persönlichkeitsstörung ist über den medizinischen Zustand Trumps nicht bekannt. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern hat dieser Präsident keine Details zu seiner körperlichen Verfassung veröffentlicht. Auch von seinem Medikamentenkonsum ist nur bekannt, dass er ein Mittel gegen Haarausfall nimmt.

Jetzt läuft in den USA die Debatte, wie man den Geisteszustand Trumps überprüfen und wie man ihn im Bedarfsfall aus dem Amt und damit vom Atom-Code entfernen könnte.

Naheliegende und möglicherweise treffsichere Ferndiagnosen durch psychiatrische Profis sind verboten, seit in den Sechzigerjahren 1200 Psychiater in einer veröffentlichten Umfrage den radikalen republikanischen Präsidentschaftskandidaten Barry Goldwater als „psychologisch ungeeignet“ für das Präsidentenamt erklärt hatten. Alle Psychiater-Vereinigungen erklären, dass sich ihre Mitglieder auch bei Trump an diese sogenannte „Goldwater Rule“ halten müssen.

Die Forderung von 29 demokratischen Kongressabgeordneten, den Geisteszustand des Präsidenten durch eine Kommission überprüfen zu lassen, ist angesichts der republikanischen Mehrheiten im Kongress chancenlos.

Bleibt nur der Weg über den 25. Zusatzartikel der amerikanischen Verfassung. Seit einer Änderung vor 50 Jahren kann ein Präsident auch gegen seinen erklärten Willen für amtsunfähig erklärt werden. Dafür braucht der Vizepräsident die Zustimmung der Regierung und des Kongresses.

Vizepräsident Mike Pence handelt hoffentlich im Bedarfsfall rechtzeitig. Bevor der Präsident nicht mehr bloß aggressive Tweets absondert, sondern im Pentagon War Room anruft.

Zum Autor

Peter Rabl arbeitete über Jahrzehnte als Journalist, Kommentator, Präsentator und Manager in Tageszeitung, Magazinen und ORF-TV. Vor seiner Pensionierung war er langjähriger Herausgeber des „Kurier“.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2017)

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